Wie bei den meisten Filmen, die deutsche Unternehmen in Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Produktionsfirma Two Oceans herstellen, ist der optische Aufwand auch diesmal beeindruckend, und das nicht nur wegen der prachtvollen Naturbilder (Bildgestaltung: Florian Schilling); auch wenn einige Sequenzen wirken, als stammten sie von der Website eines Fünf-Sterne-Hotels. Andererseits ist selbst dieser Eindruck Teil des Konzepts, schließlich hat sich Chirurgin Filipa Wagner (Anja Knauer) dieses Refugium am anderen Ende der Welt ganz bewusst ausgesucht; erst am Ende verrät das Drehbuchduo Maja und Wolfgang Brandstetter, welches traumatische Erlebnis die Ärztin bewogen hat, Deutschland fluchtartig zu verlassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Schon der erste Film ("Neustart auf Mauritius") hat sich nicht lange damit aufgehalten, die Figuren einzuführen. Da Filipa mittlerweile in jeder Hinsicht auf der Insel angekommen ist, kann sich der zweite ganz auf den titelgebenden "Notfall im Paradies" konzentrieren, den das Autorenteam und Regisseur Peter Stauch als medizinischen Krimi fast im Stil von "Dr. House" erzählen: Ein Ehepaar ist von einem lebensbedrohlichen Erreger befallen worden. Weil auch Restaurantchefin Rachel (Valentina Sauca) zusammenbricht, lässt Filipa das Lokal schließen, doch die verwendeten Lebensmittel sind alle in Ordnung; Rachels Kollaps hat eine ganz andere, aber nicht minder existenzbedrohende Ursache. Als sich rausstellt, dass das Paar Tags zuvor eine Nachbarinsel besucht hat und dort in einem See schwimmen war, besorgt sich Filipa eine Wasserprobe. Zur gleichen Zeit bekommt Hoteldirektor Kulovits (Helmut Zierl) ein aggressives Kaufangebot von einem mächtigen einheimischen Unternehmer, und weil solche parallel erzählten Ereignisse erfahrungsgemäß miteinander zusammenhängen, deutet sich im Hintergrund eine Verkettung à la "Erin Brockovich" an: Bestimmt ist der finstere Geschäftsmann auch für einen Umweltskandal verantwortlich, der zur Vergiftung des Sees geführt hat. In der Wasserprobe finden sich tatsächlich Bakterien, aber mit dem immer kritischeren Zustand der Patienten haben sie nichts zu tun. Filipa und ihr Klinikkollege Daniel (Tobias Licht) stehen vor einem Rätsel; bis sich zeigt, warum Barkeeper Mike (Tyron Ricketts) schon im ersten Film so viel daran gelegen war, auf einem entlegenen Aussichtspunkt die Lieblingsblume seiner Mutter einzupflanzen.
Dieser von langer Hand geplante und dramaturgisch raffiniert vorbereitete Höhepunkt ist ebenso ein Autorencoup wie die wahre Identität des sympathischen Mike, der in Wirklichkeit nicht nur der Sohn des Direktors, sondern auch der Mehrheitseigner der Hotelanlage ist. Davon handelt ein zweiter Strang, der allerdings gerade im Vergleich zur tödlichen Bedrohung des Ehepaars eine typische "Traumhotel"-Geschichte erzählt: Weil Kulovits nicht verkaufen will, greift der schurkische Unternehmer zu miesen Methoden und sorgt dafür, dass sich Vater und Sohn entzweien. Als williges Werkzeug dient ihm dabei eine Restaurantkritikerin (Sonja Kirchberger steckt knapp dreißig Jahre nach ihrem Filmdebüt immer noch in der "Venusfallen"-Schublade). Schuld am Zwist zwischen Vater und Sohn ist jedoch nicht der völlig unberechtigte Verriss der Frau, der die Küchenchefkarriere von Restaurantmanagerin Emi (Dennenesch Zoudé) als Rachels Nachfolgerin gleich schon wieder zu beenden scheint, sondern ein viele Jahre zurückliegender Zwischenfall. Geschickt kombiniert das Drehbuch die beiden Ebenen, als auch Mike ein Opfer des tödlichen Erregers zu werden droht.
Anders als im ersten Film dominiert Filipa nun nicht mehr jede Szene, aber sie bleibt eindeutig die Hauptfigur, und erneut zeigt sich, wie gut die Wahl Anja Knauers war. Die 2000 durch die unbeschwerte moderne "Froschkönig"-Version "Küss mich, Frosch" bekannt gewordene Schauspielerin erfüllt all’ das, was sich die ARD-Tochter Degeto vermutlich von Alexandra Neldel und ihre Rolle als Hochzeitsplanerin in der nach vier Filmen wieder eingestellten Freitagsfilmreihe "Einfach Rosa" (2015/16) versprochen hat. Knauer (Jahrgang 1979) ist nur drei Jahre jünger und wie Neldel seit zwei Jahrzehnten im Geschäft, hat aber einen ganz anderen Status als die Kollegin, die dank "Verliebt in Berlin" und der "Wanderhuren"-Trilogie zeitweilig als Sat.1-Gesicht galt. Knauer bringt sie eine Frische und Unverbrauchtheit mit, die gut zu der Offenheit und Neugier passt, mit der Filipa ihr neuen Lebens beginnt. Dass Kameramann Florian Schilling die Hauptdarstellerin entsprechend in Szene setzt und dafür sorgt, dass ihre großen blauen Augen womöglich noch größer und noch blauer wirken, versteht sich von selbst. Klugerweise hat er gleichzeitig tunlichst vermieden, die diversen Strandauftritte im Bikini voyeuristisch aussehen zu lassen. Dafür werden die spektakulären Naturbilder umso unverhohlener ausgeschlachtet, auch wenn die tolle Aussicht von der Bergspitze und der imposante Wasserfall plausibel in die Handlung integriert sind. Dass "Die Inselärztin" trotzdem mehr als bloß Werbung für Mauritius sein will, zeigt sich, als der zweite Film seinem Titel gerecht wird: Die Hotelärztin kümmert sich in ihrer Freizeit kostenlos um kranke Einheimische, die sich auf ihre Weise bedanken. Unterstützung bekommt Filipa von Daniel, der sie mit Medikamenten kurz vor dem Ablaufdatum versorgt. Dass sich seine kleine Tochter dank Filipas Instinkt als hochbegabtes Kind entpuppt, hätte allerdings nicht sein müssen; und dass von den vier Hauptfiguren gleich drei verwitwet sind, spottet jeder Statistik. In medizinischer Hinsicht jedoch haben sich die Brandstetters um größtmögliche Korrektheit bemüht. Die entsprechende Authentizität spiegelt sich auch in den Bildern wider: Wer nicht hinsehen kann, wenn jemand eine Spritze bekommt, muss in diesem Film oft wegschauen. Zum Ausgleich sieht Labortechnikerin Sarah (Anne Bolik) zu jeder Tages- und Nachtzeit so aus, als sei sie auf dem Sprung in den nächsten Club.