Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Nord Mord: Clüver und der leise Tod" (ZDF)
15.1., ZDF, 20.15 Uhr: "Nord Mord: Clüver und der leise Tod"
Auf Sylt sagt man "tschüs": Der achte Film mit Robert Atzorn als Theo Clüver ist auch der letzte.
Dankenswerterweise bescheren das ZDF und seine Produktionstochter Network Movie dem Inselkommissar Theo Clüver (Robert Atzorn) einen echten Abschied; es gab schließlich schon genug Reihen, in denen der Hauptdarsteller sang- und klanglos ausgetauscht wurde. Der Rückzug Clüvers in die Rente deutet sich schon früh im Film an und wird sympathisch eingefädelt. Tatsächlich wäre "Clüver und der leise Tod" ohne diesen sich anbahnenden gefühlvollen Höhepunkt kaum der Rede wert, gäbe es nicht einen weiteren emotionalen roten Faden: Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk), Clüvers stets besserwisserischer, aber dennoch liebenswerter Mitarbeiter, verfällt Hals über Kopf einer attraktiven Maklerin, die dringend des Mordes verdächtig ist. Das ist eine reizvolle Abweichung vom gewohnten Muster, denn bislang war es stets der Chef, der sich in die falschen Frauen verliebte.
Von diesem allerdings nicht ganz unwichtigen Detail abgesehen erzählt Regisseur Anno Saul, der für seinen fünften Film der Reihe erstmals auch das Drehbuch geschrieben hat, eine ziemlich unspektakuläre Handlung, die er auch entsprechend umgesetzt hat. Selbst der Leichenfund ist nicht weiter aufregend, hat allerdings unangenehme Folgen, zumindest für die Immobilienmaklerin Susanna Wagner (Mina Tander): Das Gespräch mit den potenziellen Käufern einer teuren Strandvilla endet abrupt, als der kleine Sohn der Kunden den Besitzer des Hauses tot im Gartenschuppen entdeckt. Der Mann ist einem Herzinfarkt erlegen, und hätte nicht irgendjemand die Leiche versteckt, würde sich die Inselpolizei überhaupt nicht für den Todesfall interessieren; so jedoch mutmaßen die Ermittler, dass auch ein Gifte das Herzversagen herbeigeführt haben könnte. Prompt fördert das Trio (Julia Brendler als Ina Behrendsen ist die Dritte im Bunde) einige kleinere und größere Skandale zu Tage, die kein gutes Licht auf den Toten werfen. Offenbar hat er viel Geld als Betreiber von Obdachlosenheimen und Sportinternaten verdient, außerdem gibt es Hinweise auf sexuellen Missbrauch.
Saul, dessen Filmografie neben "Nord Nord Mord" vor allem von "Der Kommissar und das Meer" dominiert wird, gelingt es allerdings nicht, diese möglichen Motive so zu vermitteln, dass sie tatsächlich ernsthaft in Betracht kommen. Clüver unterhält sich zwar mit einigen ungewöhnlichen Zeitgenossen, doch die entsprechenden Begegnungen wirken wie Episoden. Bestes Beispiel ist der Besuch bei einer Naturistengruppe. Michael Lott hat als Wortführer der FKK-Anhänger in den wenigen Minuten, die diese Szene dauert, unglaublich viel Dialog. Saul selbst sorgt jedoch dafür, dass man den Bildern viel mehr Beachtung schenkt als dem Gespräch; für Kameramann Moritz Anton war es vermutlich eine echte Herausforderung, den nackten Lott so zu filmen, dass stets irgendwer oder irgendwas sein bestes Stück verdeckt.
Autor:in
Tilmann P. Gangloff
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Da diese Plauderei bei aller Unterhaltsamkeit offenkundig bloß ein Nebenschauplatz ist, bekommen die ohnehin sehr intensiv gespielten Szenen mit Oliver Wnuk und Mina Tander eine zusätzliche Wertigkeit, zumal Saul dem Kommissar eine vergleichsweise ausführlich angebahnte echte Liebesgeschichte mit Sex und Ecstasy gönnt. Bislang war Feldmann in den Filmen flocker-lockiger Alleinunterhalter, diesmal wird die Figur richtig ernst genommen. Beruflich ist seine Liebelei natürlich fatal, erst recht, als sich rausstellt, dass die Maklerin ein Interesse am Ableben ihres Auftraggebers gehabt haben könnte. Als die Frau nach einer gemeinsamen Nacht mitsamt seiner Dienstwaffe verschwunden ist, wacht Feldmann endlich auf; womöglich zu spät. Spätestens jetzt erweisen sich die Mahnungen der stacheligen Behrendsen, die den Kollegen und Mitbewohner mehrfach auf seinen Mangel an professioneller Distanz hinweist, als berechtigt, aber natürlich steckt bei ihr noch mehr dahinter; auch deshalb ist die persönliche Ebene viel fesselnder als die Mordermittlungen. Das Ultimatum zum Schluss, mit dem sie Clüvers väterlichen Rat ("einfach Bauchgefühl") befolgt, deutet an, dass die Beziehung der beiden tatsächlich ein neues Level erreicht. Das ist auch überfällig; was Feldmann in der Sitzung einer Burnout-Selbsthilfegruppe, zu der er seine angebetete Susanna begleitet hat, über die Kollegin erzählt, klingt wie eine Liebeserklärung. Für die nächsten Filme der Reihe verspricht diese Entwicklung viel Potenzial; die Vaterrolle wird dann Peter Heinrich Brix übernehmen. Dann müssen sich die Verantwortlichen auch ein neues Titelmuster einfallen lassen, denn abgesehen vom Auftakt, der nur "Nord Nord Mord" hieß, begannen bislang sämtliche Titel der Reihe mit "Clüver und…".
1