TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Waidmannsheil" (ARD)

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TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Waidmannsheil" (ARD)
18.1., ARD, 20.15 Uhr: "Nord bei Nordwest: Waidmannsheil"
Holger Karsten Schmidt gehört im hiesigen Fernsehen zu den interessantesten Autoren. Neben preisgekrönten Einzelstücken wie "Mörder auf Amrum", "Mord in Eberswalde" oder "Das weiße Kaninchen" (alle drei mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet) hat Schmidt auch einige nicht minder sehenswerte Krimireihen geschrieben, darunter neben "Harter Brocken" vor allem jene Filme, deren Hauptfiguren für Hinnerk Schönemann entstanden sind.
Das ZDF hat die Finn-Zehender-Krimis nach vier Filmen (unter anderem "Mörderisches Wespennest" und "Tod einer Brieftaube") leider eingestellt, und womöglich widerfährt dieses Schicksal demnächst auch "Nord bei Nordwest", denn die sechste Episode, "Waidmannsheil", wäre auch ohne den hohen Anspruch von Schmidts Niveau eine gelinde Enttäuschung, zumal die Geschichte gleich zwei Krimiklischees erfüllt: Der Täter ist eine Figur, die komplett unverdächtig ist; und die Hintergründe des Motivs ziehen sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Reihen, die ARD und ZDF an den Küsten oder auf den Inseln von Nord- und Ostsee ansiedeln.
Gemessen an den bisherigen Episoden der Reihe, in denen das beschauliche Küstendorf Schwanitz gern mit der großen weiten Welt des Verbrechens konfrontiert wurde, ist "Waidmannsheil" in jeder Hinsicht eine Nummer kleiner ausgefallen. Außerdem ist die gewohnte Nebenebene, die sonst stets für zusätzliche Spannung sorgt, diesmal nicht gut in die Handlung integriert und zudem auch deutlich unspektakulärer als etwa in "Estonia". Damals hatte sich rausgestellt, dass der unscheinbare Reimar Vogt (Peter Prager), Vater von Dorfpolizistin Lona, einst beim Bundesnachrichtendienst war. Er ist nach wie vor überzeugt, dass seine bei einem Autounfall gestorbene Frau ermordet worden ist und sinnt auf Rache. Als er schwerverletzt nach Schwanitz zurückkehrt, bittet seine Tochter den ehemaligen Polizisten und jetzigen Tierarzt Jakobs (Schönemann) um Hilfe, zumal das LKA ihrem Vater auf den Fersen ist. Die entsprechenden Szenen sind jedoch ebenso wenig spannend wie der Fall, dem sich Lona eigentlich widmen muss: Jäger Benedikt ist auf seinem Hochsitz durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt worden. Mit "unbeliebt" wäre der Status des Mannes im Dorf weit untertrieben: Der Mann war regelrecht verhasst. Hauptverdächtiger ist selbstredend sein Erzfeind, aber als es Hinweise gibt, dass sich Benedikt womöglich an seinen Töchtern vergangen hat und eins der beiden Mädchen schwanger ist, fragen sich Polizistin und Tierarzt, ob die eigenen Kinder ihren Vater ermorden wollten; dabei ist recht früh klar, dass Schmidt eine Variation von "Romeo und Julia auf dem Dorfe" erzählt.
 
 
Serienregisseur Felix Herzogenrath ("Ein Fall für zwei", "Großstadtrevier") hat die wenig aufregende Geschichte entsprechend umgesetzt: Das Tempo ist gemächlich und entspricht der Beschaulichkeit jener Serien, die die ARD vor einigen Jahren unter der Dachmarke "Heiter bis tödlich" gezeigt hat. Ausdrücklich ausgeschlossen von dieser Kritik sind allerdings die Schauspieler. Auch wenn in die Dreiecksbeziehung zwischen dem Tierarzt und seinen beiden rothaarigen Mitstreiterinnen, Polizistin Lona (Henny Reents) und Praxishilfe Jule (Marleen Lohse), endlich etwas Bewegung kommen könnte: Gerade die beiden Frauen spielen das sehr schön, wobei Lona ihre Gefühle besser  im Zaum hat als Jule, die ihren Chef wie Teenager anschwärmt und gern auch mal zu unlauteren Methoden greift, um eine allzu traute Zweisamkeit zwischen den beiden anderen zu sabotieren. Entsprechend freudig ist ihre Zustimmung, die jüngere der beiden Benedikt-Töchter bei sich aufzunehmen und gemeinsam mit Jakobs "Vater Mutter Kind" zu spielen. Die jungen Darsteller der drei Jugendlichen (Pauline Rénevier, Lilly von Klitzing, Dennis Mojen) machen ihre Sache ebenfalls sehr gut. Sehr amüsant sind auch die Auftritte von Cem-Ali Gültekin, der in "Nord bei Nordwest" als Pausenclown für die weniger subtilen Formen der Heiterkeit zuständig ist: Mehmet Ösker wird von Lona als Benedikt-Double engagiert und mit fettem "Fatsuit" ins Krankenhausbett gelegt, falls der Täter seinen Mordversuch zu Ende bringen will; wie Ösker die zu seinem Schutz abgestellte Polizistin beinahe ins Koma quasselt, ist in der Tat sehr amüsant. Darüber hinaus sorgt Schmidt mit überraschenden Diskurse über eine Ameisensorte oder die Bedeutung der Triangulation bei der Landvermessung dafür, dass "Waidmannsheil" keine Zeitverschwendung ist, aber im Vergleich zur hohen Qualität etwa der Samstags- und Montagskrimireihen im ZDF droht "Nord bei Nordwest" eine gewisse Beliebigkeit; selbst wenn Regisseur Herzogenrath die Beschaulichkeit seiner Inszenierung ("ein Domino-Effekt in Slow-Motion") als Stilmittel verstanden wissen will.