Schon "Der irre Iwan" (2015) war allerdings nicht mehr ganz so witzig. Im dritten Film, "Der treue Roy" (2016), übertrieben es die Autoren mit den Kalauern. "Der scheidende Schupo" (Februar 2017) erzählte immerhin wieder eine wahnwitzige Geschichte, aber das fünfte Werk wirkt über weite Strecken, als habe das Autorenduo sein Pulver verschossen. Während die bisherigen Fälle zwar schräg, aber in sich plausibel waren, mutet "Der wüste Gobi" mitunter wie eine verunglückte Parodie an.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die eigentliche Handlung beginnt mit einem Ausbruch: Der nach drei Frauenmorden als "Würger von Weimar" in die Kriminalgeschichte eingegangene Gotthilf Bigamiluschvatokovtschvili (Jürgen Vogel), kurz Gobi genannt, ist aus der geschlossenen Psychiatrie ausgebrochen. Sein erster Weg führt ihn geradewegs zu seiner Verlobten, Mimi Kalkbrenner (Jeanette Hain). Deren Haus wird zwar von der Polizei überwacht, aber Gobi kennt die Kanalisation wie seine Westentasche. Zur gleichen Zeit stirbt die schon seit Jahren ans Bett gefesselte Gattin von Psychiatrie-Chefarzt Eisler (Ernst Stötzner) einen bizarren Tod: Ihre Heizdecke geht in Flammen auf. Die Obduktion ergibt allerdings, dass die Frau erwürgt worden ist. Lessing und Dorn glauben nicht an die These des Professors, Gobi habe sich an ihm rächen wollen und seine Frau ermordet. Tatsächlich ergeben sich sogar profunde Zweifel, ob sich der vermeintliche Würger von Weimar überhaupt etwas zu Schulden hat kommen lassen.
Aus der Geschichte hätte ein richtig guter Krimi werden können, ganz ohne witzige Dialogduelle; die wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Krimikomödie ist also schon mal erfüllt. Dass Clausen und Pflüger die originelle Handlung regelmäßig um Gags ergänzen, gehört zum Muster des "Tatort" aus Weimar. Das Problem ist nur: Die Witze sind nicht witzig; und falls doch, dann sorgt die Inszenierung (Ed Herzog) dafür, dass sie verpuffen. Ulmen und Tschirner machen zwar nach wie vor Spaß, aber auch die besten Komödianten müssen kapitulieren, wenn sie nur müdes Material bekommen. Außerdem sind sich die Autoren nicht zu schade, einige der ältesten Pointen der Filmgeschichte wiederzuverwerten: Lessing wirft sich gegen eine Tür, Dorn dreht lässig den Knauf. Ein anderer Recycling-Sketch, der zum Standardrepertoire des Psychiatrie-Films gehört – die Besucher halten einen Patienten für den Leiter der Station –, funktioniert dagegen verblüffend gut. Zumindest halbwegs amüsant sind auch die Beischlafversuche des Ermittlerduos: Im heimischen Schlafzimmer ist die Heizung kaputt, also suchen sie nach Alternativen, werden aber immer wieder gestört. In dieser Hinsicht hat Gobi keinen Grund zur Klage. Die Idee, dass er sämtliche Frauen, die er sympathisch findet, mit selbstgestrickter Unterwäsche beschenkt, ist zwar nicht so lustig wie vermutlich vermutet, aber da er bei den Damen einen tiefverwurzelten Beschützerinstinkt weckt, sind ihm offenbar sämtliche Schwestern in der Psychiatrie verfallen. Angesichts dieser Form sexuellen Glücks muss man schon dankbar dafür sein, dass Clausen und Pflüger darauf verzichtet haben, dem Wort "stricken" einen entsprechenden Reim abzutrotzen.
Die Dreharbeiten haben vermutlich mindestens zwei Tage länger gedauert als geplant, weil Ulmen bestimmt ein Dutzend mal den vollständigen Namen Gobis flüssig aussprechen muss; diese Zeit hätten die Beteiligten besser darauf verwendet, noch ein bisschen an den Gags zu feilen. Nicht untypisch für das Niveau des Films ist die Idee, die einheimischen Polizisten alle in den Kaffeefilter rotzen zu lassen, der für die Kollegen vom LKA bestimmt ist. Ins Gesamtbild passt auch ein Anschlussfehler: Gerade noch saß Dorn am Steuer, aber bei der Ankunft steigt Lessing auf der Fahrerseite aus. Immerhin ist die Auflösung des Falls überraschend. Sehenswert ist auch die Bildgestaltung (Kristian Leschner); gerade die Klinikszenen bekommen durch ihr eigenwilliges Licht eine ganz eigene Atmosphäre.