Dabei erfüllt die Geschichte von Stefan Rogall, der neben mehreren "Wilsberg"-Folgen für Hauptdarsteller Leonard Lansink auch die Komödie "Der Stinkstiefel" geschrieben hat, viele Voraussetzungen für eine flotte Krimikomödie. Die Handlung beginnt mit Absagen: Eigentlich wollten sich Privatdetektiv Wilsberg und seine Freunde wie an jedem Heiligabend zur Ente à l’orange bei Kommissarin Springer (Rita Russek) treffen, aber Ekki (Oliver Korittke) fährt über die Feiertage lieber in den Skiurlaub, Alex (Ina Paule Klink) ist zum traditionellen Weihnachtsempfang des einflussreichen Richters Rudolph (Bernhard Schir) eingeladen worden, und die Kommissarin will den Abend ohnehin lieber in Ruhe verbringen und täuscht eine Erkältung vor. Der Detektiv hat also Zeit, um den Auftrag einer jungen Frau anzunehmen: Marie (Kristin Suckow) fürchtet, dass ihr Freund Johannes angesichts ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft kalte Füße bekommen hat und abgehauen ist. Und noch jemand ist weg: "Pech gehabt Arschloch" steht in großen braunen Lettern über dem Kamin in Rudolphs Wohnzimmer. Offenbar hatte seine Frau Franziska keine Lust auf Gäste; der Richter ist ohnehin ein unsympathischer Grabscher. Und nun entwirft Rogall einen Reigen, der nacheinander sämtliche handelnden Personen in überraschend enge Beziehungen zueinander setzt: Weil Ekkis Zug nach Österreich ausgefallen ist, trifft er in einer Kneipe auf Franziska (Carolina Vera), die Heiligabend zwar ohne ihren Gatten, aber nicht allein verbringen will. Allerdings wird er von Philipp Stern (Rainer Sellien) ausgebootet. Der Mann hat eine alte Rechnung mit dem Richter offen; Franziska ist Teil seines Racheplans. Später stellt sich raus, dass beide unabhängig voneinander enge Verbindungen zu Marie und Johannes haben, was noch eine große Rolle spielen wird: Während sich die anderen Handlungsstränge entwickeln, überfällt Johannes (Felix von Bredow) mit zwei Komplizen (Nikolai Kinski, Nic Romm) eine Bank und macht sich mit 250.000 Euro aus dem Staub; selbstredend sind die beiden Typen fortan hinter ihm her, um sich das Geld zurückzuholen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das klingt nach einem potenziell packenden Krimi, zumal die Geschichte das Zeug hätte, auch gänzlich unkomisch erzählt zu werden; eine wichtige Voraussetzung für jede gute Krimikomödie. Anscheinend hat jedoch irgendjemand befürchtet, die Handlung sei nicht komisch genug, weshalb sie um viele Gags angereichert wurde, die das Niveau des Films deutlich senken. Bester Beleg ist eine Klingelschildleiste mit den Namen L. Matthäus, Stella Christ, Noël Messias, O. Tannenbaum, Herr Rodes, S. Gabriel; und als kleine Verbeugung vor "Wilsberg"-Redakteur Martin R. Neumann noch Balthasar R. Neumann. Natürlich kann man das auch ignorieren, ist schließlich nur ein kleiner Spaß am Rande, aber typisch für den Humor des Films; und leider auch für die Machart. Dominic Müller hat bislang ausnahmslos gute Beiträge für die Reihe gedreht. "Entführung" oder zuletzt "Straße der Tränen" waren herausragende und ziemlich spannende Episoden, und mit"Treuetest" ist ihm eine gute Balance aus Krimi und Komödie gelungen. Umso enttäuschender ist "Alle Jahre wieder", zumal der Regisseur zuweilen entweder seinen Bildern oder seinem Publikum nicht traut: Ein Foto des Ehepaars Rudolph zeigt Müller gleich zweimal, damit jeder mitbekommt, dass die Gattin Ekkis Kneipenbekanntschaft ist. Zur wenig originellen Machtart zählt auch die musikalische Untermalung, die mitunter klingt, als habe jemand Müller eine "Best of Christmas-Pop"-CD in die Hand gedrückt. Die eigentliche Filmmusik wiederum ist viel packender, als es die Bilder hergeben, selbst wenn der Film im letzten Drittel mehr Krimi als Komödie ist.
Wie immer bei "Wilsberg" gibt es viele schöne Drehbuchideen, die Müller aber ausnahmslos seltsam kraftlos umsetzt. So stürmt beispielsweise die Polizei an den Räubern vorbei, weil die als Weihnachtsmänner verkleidet sind. Da Kommissarin Springer Zeugin des Überfalls war und die Kollegen auf die Verkleidung hinweist – "langes Gewand, Rauschebart" –, stürzen sich die Beamten prompt auf Overbeck (Roland Jankowsky), der beim Krippenspiel der Polizei als Hirte mitwirkt. Das mag kein Brüller sein, hätte sich aber ebenso wie das Finale auf der Bühne des Krippenspiels weitaus amüsanter umsetzen lassen. Gerade das Understatement, das viele "Wilsberg"-Episoden auszeichnet, geht dieser Episode völlig ab. Janina Fautz ist ein kleiner Lichtblick, hat als Springers Patenkind Merle diesmal jedoch nur einen Kurzauftritt. Selbst die erfahrenen Schauspieler sind dagegen nicht immer überzeugend, zumal sich immer wieder der Eindruck aufdrängt, als habe Müller sie animiert, ein bisschen aus sich rauszugehen ("Leute, wir drehen eine Komödie!"). Dazu passt auch der obligate Bielefeld-Scherz, der sich auf das Nummernschild des Gangsterfahrzeugs (BI-MS) bezieht und von Lansink erklärt werden muss. Den schwächsten Moment des Films haben sich die Beteiligten allerdings für den Schluss aufgehoben, als das Ensemble den Zuschauern fröhliche Weihnachten wünscht. Dann friert das Bild ein, und die meisten sehen aus, als sei ihnen das alles selbst ein bisschen peinlich.