16.12., 3sat, 22.45 Uhr: "Precht: Angst vor dem Fremden?"
Überall in Europa feiern nationalistische Parteien Wahlerfolge. Ihr Thema ist die angebliche "Überfremdung" der jeweiligen Gesellschaft. Woher kommt die Angst vor dem Fremden? Von seinem Gast, dem Schriftsteller Ilija Trojanow, möchte Richard David Precht wissen: Ist die Angst vor dem Fremden legitim oder nur Ausdruck von Vorurteilen und mangelndem Selbstwertgefühl? Trojanow, der selbst als Kind mit seinen Eltern aus Bulgarien floh, hinterfragt ganz grundsätzlich die Selbstverständlichkeit von sesshaften Kulturen. Nomadentum und das ständige Zusammenfließen der Kulturen, so der Schriftsteller, bestimmen und bereichern seit jeher unsere Gesellschaften. Die Sorge um die Leitkultur des christlichen Abendlandes sei daher keine Rückbesinnung, sondern entspringe vornehmlich der Angst vor den Folgen des Kapitalismus und der Globalisierung. Menschen bewerten andere Menschen nicht gleich, sondern empfinden starke Unterschiede zwischen eigen und fremd, zugehörig und nicht zugehörig. Ist die Angst vor dem Fremden also ganz natürlich? Und was sagt Fremdenfeindlichkeit letztendlich über unser Verhältnis zum Eigenen aus? Wer sich des Eigenen sicher ist, der sollte doch eigentlich selbstbewusst auf das Fremde zugehen können, meint Precht. Ist die tatsächliche Ursache von Fremdenfeindlichkeit am Ende eigentlich ein gestörtes Verhältnis zu sich selbst? Es scheint so, meint Precht, dass kulturelle Durchmischung vor allem dann akzeptiert und sogar gewünscht sei, wenn sie sich auf Wissenschaft, Musik, Literatur, Film oder Kulinarisches beziehe. Erst wenn eine Gesellschaft tatsächlich mit Zuwanderern konfrontiert wird, scheint es mit der Toleranz gegenüber dem Fremden rasch vorbei zu sein. Welche Verantwortung trägt die Politik in diesem Konflikt? Precht und Trojanow diskutieren darüber, ob eine Obergrenze für Zuwanderung wirklich eine Lösung ist. Vielleicht, so fragt Precht, diene die derzeitige Afrikapolitik Angela Merkels und Emmanuel Macrons am Ende nur dazu, die Grenze für Flüchtende weit hinter das Mittelmeer zu verschieben?
17.12., ARD, 17.30 Uhr: "Echtes Leben: Lieder zum Advent"
Der "Schuppen 50" im Hamburger Hafen beherbergt seit einigen Jahren das Hafenmuseum. Dieses Jahr im Advent sind dort außergewöhnliche Gäste zu Besuch: Rund 400 Sängerinnen und Sänger verwandeln den Schuppen für einen Tag in einen Ort der Adventsfreude. Auf Einladung der "Kirche im NDR" und unter der musikalischen Leitung von Niels Schröder, werden Frauen, Männer und Kinder Adventslieder singen - inmitten von Fässern, Booten, Seekarten und Hubwagen und umgeben von Gerüchen nach Holz, Kaffee und Schmierfett. Umrahmt werden diese Lieder von einer Adventsgeschichte der Autorin Susanne Niemeyer, vorgelesen von Sänger und Moderator Yared Dibaba. Die Zuschauer werden hineingezogen in das Ereignis: Regisseurin Daniela Raskito legt großen Wert darauf, die Sängerinnen und Sänger mit der Kamera ganz nah einzufangen, damit es möglich wird, die Emotionen eines jeden Einzelnen mitzuerleben. Alle Protagonisten tragen deshalb auch ihre normale Alltagskleidung, sind ungeschminkt und bunt gemischt. Beteiligt an dem Projekt sind Sängerinnen und Sänger von "Hamburg Singt - der Chor für alle", den "The Young ClassX", weiteren Chören und viele einzelne Sängerinnen und Sänger, vereint in ihrer Begeisterung für das Singen und verbunden durch adventliche Vorfreude.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
17.12., RBB, 22.25 Uhr: "Kollwitz"
Die Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz (1867-1945) gilt als bedeutendste deutsche Künstlerin aller Zeiten. Ihr Werk ist in den USA, in Russland und auch China bekannt. Sammler zahlen auf Kunstauktionen hohe Preise für ihre Werke. Und ihr "Trauerndes Elternpaar" auf dem Soldatenfriedhof im belgischen Vladslo gilt als die bedeutendste Grabplastik des 20. Jahrhunderts. Die Botschaft ihrer bekanntesten Zeichnung "Nie wieder Krieg!" ist heute aktueller denn je. "Die Kollwitz" war eine der ersten Frauen, die in München Kunst studieren durften, und sie wurde schon im deutschen Kaiserreich zu einer anerkannten Künstlerin. Lebensfroh, neugierig und engagiert mischte sich Käthe schon als junge Frau auch als eine politisch starke Stimme in ihre Zeit ein. Bei Kollwitz ist kein Werk ohne Botschaft. Schicksalsschläge, wie der Verlust ihres Sohnes Peter im Ersten Weltkrieg, erschütterten ihr Leben. Themen wie Trauer, Verlust, Armut, Hunger oder Krieg beschäftigen sie nun noch stärker. Doch wie viel weiß man wirklich über Käthe Kollwitz? Wer war diese Frau hinter den Kunstwerken, die einen noch immer so ergreifen? In unzähligen Porträts blickt sie uns an. Und man hofft in dieser ständigen Selbstbefragung der Künstlerin eine Antwort zu finden auf die Frage, wer sie wirklich war.
18.12., 3sat, 23.55 Uhr: 37 Grad: Gefangen im Glücksrausch"
Volker Schmidt-Sondermann stellt in seinem Film zwei Menschen vor, die in die Fänge einer gefährlichen Droge geraten sind. Er hat sie auf ihrem mühsamen Weg begleitet, sich aus der Abhängigkeit zu lösen und wieder ins Leben zu finden. Sandra ist es gelungen, ihre Crystal-Meth-Sucht zwölf Jahre lang geheim zu halten. Sie achtet auf ihr Äußeres, geht regelmäßig ins Solarium; und konsumiert mehrfach am Tag die Designerdroge. Die Glückshormone, die dabei ausgeschüttet werden, machen sie in ihrer Welt zur Superheldin. Crystal Meth gilt derzeit als die gefährlichste Droge der Welt. Von Tschechien aus überschwemmt das preisgünstige Gift mittlerweile ganz Deutschland. Laut wissenschaftlicher Studien steigt der Pegel des Glückshormons Dopamin beim Sex von 100 auf 200 Einheiten, bei Crystal auf einen Wert von 1250. Doch wenn der Kick nachlässt, bricht der Körper zusammen. Marc ist 14 Jahre alt und träumt von einer großen Karriere als Pferdejockey. Er gewinnt seine ersten Pokale, doch dann diagnostizieren die Ärzte ein Rückenleiden; Reiten ist für Marc ab sofort tabu. Frustriert nimmt er seine ersten Drogen. Zunächst ist es Marihuana, dann Kokain, Heroin und schließlich Crystal Meth. Fast 25 Jahre dauert seine Drogenkarriere. Für Sven Kaanen, Chefarzt der Fachklinik Heidehof, ist Crystal Meth eine extrem tückische Droge: "In kürzester Zeit frisst Crystal die Konsumenten regelrecht auf. Alles ist betroffen. Das Nervensystem, Herz-Kreislauf, Leber, Nieren. Und der erste Entzug gelingt nur bei etwa einem Drittel der Betroffenen." Durch seine Sucht rutscht Marc immer wieder in die Beschaffungskriminalität, sitzt fast die Hälfte seines Lebens im Gefängnis. Schließlich macht er eine Entzugstherapie im geschlossenen Vollzug der JVA Zeithain. Von hier aus bemüht er sich um ein Praktikum als Pferdepfleger auf einem Bauernhof. So will er an seinen Kindheitstraum anknüpfen und wieder mit Pferden arbeiten. Als Sandra schwanger ist und ein gesundes Kind auf die Welt bringt, wird schnell klar, dass sie sich entscheiden muss: Entweder sie schafft den kalten Entzug - oder ihr wird das Kind weggenommen. Sandra macht eine Therapie in der sächsischen Fachklinik Heidehof. Hier wird ein spezielles Programm für Crystal-abhängige Mütter und ihre Kinder angeboten. Sandra hat die feste Absicht, sich endgültig aus den Fängen der Droge zu befreien und ein ganz normales Leben mit ihrem Sohn zu führen.
19.12., Arte, 21.35 Uhr: "Der Traum von Olympia"
Nichts eignet sich besser für die politische Propaganda als ein sportliches Ereignis, auf das die gesamte Welt schaut. "Der Traum von Olympia" von Florian Huber (Buch und Regie) und Mira Thiel (Regie) ist ein Dokudrama, also eine Kombination aus zeitgenössischen Aufnahmen und nachgestellten Spielszenen. Huber konzentriert sich in seinem Drehbuch auf zwei Protagonisten, die gewissermaßen als Zeitreiseführer dienen, der eine für die Innenansicht, die andere für die Außenperspektive. Wolfgang Fürstner (verkörpert von Simon Schwarz) war der Kommandant des Olympischen Dorfes, Gretel Bergmann (Sandra von Ruffin) die damals wohl talentiertestes deutsche Hochspringerin mit guten Aussichten auf die Goldmedaille; kurz vor Beginn der Spiele wurde sie als Jüdin aus dem Kader verbannt. Die Wahl dieser beiden Erzähler hat den Vorteil, dass Huber auf einen Kommentar verzichten kann, denn Fürstner, der die deutlich größere Rolle einnimmt, sorgt für die nötigen Hintergrundinformationen: über die Bedeutung der Spiele für die Nationalsozialisten, über die Überlegungen der USA, sie zu boykottieren, über den riesigen Aufwand, der getrieben wurde, um für das Bild eines friedlichen Deutschlands zu sorgen und Berlin in eine weltoffene Metropole zu verwandeln. Für Fürstner, der außer Offizier offenbar nichts gelernt hat, ist das Kommando über das Olympische Dorf die Chance seines Lebens. Aber dann werden die Nürnberger Rassegesetze erlassen, und der Hauptmann bekommt ein Problem: Er hat jüdische Vorfahren und wird degradiert. Nun sind beide, der Offizier und die Sportlerin, nur noch Statisten im eigenen Traum. Während Gretel Bergmann nach Amerika auswandert, gibt es für den Dorfkommandanten angesichts der doppelten Schmach, nicht nur die Lorbeeren, sondern auch noch die eigene Frau einem anderen überlassen zu müssen, in alter Offizierstradition nur eine Konsequenz. Ursprünglich lautete der Untertitel des Dokudramas schlicht "Die Spiele von Berlin 1936", nun heißt der Titelzusatz "Die Nazi-Spiele von 1936". Selbst wenn beispielsweise Fürstners Gegenspieler, der Berliner Polizeipräsident (Gotthard Lange), auch physiognomisch eher schlicht als typischer Filmschurke konzipiert worden ist: Die etwas plump anmutende Verwendung des Reizwortes wird dem Anspruch der Arbeit nicht gerecht.
20.12., NDR, 18.15 Uhr: "Wie geht das?"
Es ist das größte Geschenk, das die Stadt Neubrandenburg je bekommen hat: eine Orgel für die Konzertkirche. Der neue Stolz der Stadt hat 2.852 Pfeifen und siebzig 70 Register; und damit eines mehr als die Orgel der Elbphilharmonie. Zwischen Auftragsvergabe und Einweihung vergehen gerade einmal zwei Jahre. Normalerweise planen Orgelbauer gut das Doppelte für den Bau eines solchen Instrumentes. Doch die Orgel soll pünktlich zum siebzigsten Geburtstag des Stifters zum ersten Mal erklingen. Zwei Millionen Euro hat der Neubrandenburger Maschinenbauunternehmer Günther Weber für seinen Traum einer Orgel in der Konzertkirche zur Verfügung gestellt. Um mit dem Bau der Orgel rechtzeitig fertig zu werden, schließen sich zwei der renommiertesten Orgelbaufirmen Deutschlands zusammen. Bei Orgelbau Klais in Bonn und in der Orgelwerkstatt Schuke in Berlin werden die Pfeifen gegossen; Spieltisch, Manuale, Traktur, Gehäuse und Windanlage gebaut, bevor sie in Neubrandenburg montiert werden. Mehr als 1.900 Arbeitsstunden sind bis zur Einweihung nötig. Das erste Konzert spielt die lettische Starorganistin Iveta Apkalna. In der Geschichte der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern war noch nie ein Konzert so schnell ausverkauft wie die Orgelweihe in Neubrandenburg. Die Reportage zeigt den Orgelbau vom Guss der Pfeifen bis hin zum ersten Ton.
20.12., BR, 19.00 Uhr: "Stationen"
"Wer sich unter dem Mistelzweig küsst, dem soll ewige Liebe zuteilwerden", so heißt es. Kein Wunder, dass Mistelzweige auf den Christkindlmärkten so begehrt sind. Viele setzen auf diesen romantischen Vorweihnachtsbrauch, aber nicht nur auf den. Überall begegnet man in dieser Zeit Geschenken, Sprüchen und Geschichten, die einladen, die Welt mit anderen Augen zu betrachten - friedlicher und freundlicher. Sind das clevere Verkaufsideen? Naive Gefühlsduselei zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, wo sich alle nach Harmonie und einem guten Miteinander sehnen? Das "Stationen"-Team macht sich auf die Suche nach dem, was wirklich zählt, gemäß der Sendungsmaxime von Paul Tillich: "Religion ist im weitesten und tiefsten Sinne das, was uns unbedingt angeht."