Die Reihen in der Kreuzkirche in Bonn sind gut gefüllt: hier beginnt mit einem feierlichen Gottesdienst die 12. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Motto des Gottesdienst ist optimistisch: "Weil Gott mich das Lachen lehrte." Und genauso fröhlich und gut gelaunt, wenn auch ein bisschen nervös, wirken die bunt angezogenen Mitglieder des Jugendchors "Sunday Morning", die mit dem Lied "Was macht, dass ich so fröhlich bin" des rheinländischen Liedermachers Hans Dieter Hüsch den Gottesdienst eröffnen.
Hans Dieter Hüschs Worte bewegen auch Pfarrer Gerhard Schäfer. Er gesteht, es falle ihm in der heutigen Zeit nicht immer ganz leicht, vergnügt, erlöst und befreit zu sein. "Wo Güte ist, verschwindet die Angst", sagt er, hält kurz inne und fragt dann, "glauben wir das wirklich?". Seine Worte sollen zum Nachdenken anregen: Vertreibt die Güte wirklich die Angst, wenn man den Job verloren hat, wenn man von den vielen Naturkatastrophen liest? Schäfer hat da seine Zweifel: "Angst lässt sich nicht weg reden", sagt er, "und Not schon gar nicht".
Während in der Bonner Kreuzkirche die Synodalen singen, beten und den Worten des Pfarrer Schäfers und des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, lauschen, geht nicht weit entfernt die Weltklimakonferenz weiter. Seit dem 6. November beraten dort rund 25.000 Teilnehmer aus 190 Ländern über die Details zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Das Abkommen aus dem Jahr 2015 zielt darauf, die Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad zu begrenzen. Wer nun denkt, Kirche und Klima hätten nichts miteinander zu tun, der irrt. Denn sowohl Pfarrer Schäfer als auch Präses Manfred Rekowski machen den Klimawandel und die Verantwortung jedes einzelnen sowie die Hoffnung auf eine bessere Welt zum Thema.
Dazu passt auch der Popsong "Irgendwas bleibt" von Silbermond, mit dem die Jugendlichen des Chors das Publikum auf die Predigt von Manfred Rekowski einstimmen. Den Wunsch, ja fast die Sehnsucht, nach Stabilität und Sicherheit in einer Welt, in der absolut gar nichts mehr gewiss scheint – den kann Rekowski nachvollziehen. "Wie gehe ich, wie gehen Sie, mit der Angst um, die sich immer wieder meldet, wenn wir an Morgen denken? Wie mit den Sorgen und Ängsten anderer Menschen und wie mit der Sorge um die Zukunft unserer Welt?", fragt er zu Beginn seiner Predigt.
Und gibt – vielleicht auch inspiriert von der Eröffnung der Karnevals-Session am 11.11 – zwei im Rheinland sehr bekannte Antwortmöglichkeiten: "Et kütt wie et kütt" für die etwas Teilnahmsloseren und "et het noch immer jot jejange" für die etwas Optimistischeren. Genau dieses fast schon desinteressierte Achselzucken, diese zum Teil offenkundige Gleichgültigkeit und die Teilnahmslosigkeit vieler Europäer und Nordamerikaner angesichts der drohenden Klimakatastrophe prangert Rekowski vehement an: Man habe es sich bequemen gemacht, genieße den Wohlstand und das Leben und ließe sich kaum noch aufrütteln. Auch nicht angesichts der Auswirkungen des Klimawandels, die die Menschen auf der Südhalbkugel schon jetzt in Form von extremen Dürreperioden oder steigendem Meeresspiegel trifft.
Doch Präses Rekowski lenkt das Augenmerk der Gottesdienstbesucher in der Bonner Kreuzkirche und vor dem Fernseher nicht nur auf das weit entfernte Leid, sondern auch auf die Ungerechtigkeit vor der eigenen Haustür: verwahrloste Kinder, verwahrte Pflegebedürftige und Menschen, die bei der Tafel anstehen müssen und sich fragen, ob das jetzt schon alles gewesen sei. Eine Lebensperspektive, die keine ist. "Das verlangt nach einem Himmel, der den Schrei nach Leben, nach Gerechtigkeit und Frieden aufnimmt", sagt Rekowski und fährt fort: "Ja, das verlangt auch nach einer neuen Erde, wo niemand auf der Strecke bleibt oder ums Leben kommt."
Hoffnung mit Bodenhaftung
Die Lesung des Gottesdiensts ist über Jesaja – über seine Träume von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, in der Lamm und Löwe friedlich zusammen leben können. Über den Realismus dieser Vision von Jesaja, den Rekowski einen "Traum mit Bodenhaftung" nennt, predigt der rheinische Präses weiter. Er fragt, ob das Prinzip der beschränkten Hoffnung vor Enttäuschungen schütze oder ob sich eigentlich die Resignation nur als Realismus getarnt habe. Und Rekowski findet im Vaterunser Trost und die Bestätigung: "Gott wird diese Welt nicht sich selbst überlassen und auch nicht den Menschenfeinden." Die bestehenden Verhältnisse bezeichnet er als "Auslaufmodelle", stattdessen gäbe es in Gottes Reich ein gutes Leben und gelingendes Miteinander für alle. "Das ist Gottes Mission", so Rekowski. "Eine andere hat die Kirche auch nicht." Und so sei es für ihn auch nicht verwunderlich, dass ein vom Geist des Evangeliums beflügelter Glaube "aus bodenständigen Realisten verrückte Hoffnungsträger" mache, die sich dafür engagieren, "dass Friede wird und dass Kinder eine gute Zukunft bekommen und allen ein erfülltes, sattes Leben geschenkt wird". Und weil dieser Glaube so viel mehr sähe, als da ist, laute das Glaubensbekenntnis der Christenheit auch im Rheinland nicht "Et kütt wie et kütt", sondern: "Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt", so Manfred Rekowski.