Bauern, die Eichen aus Luthers Zeiten auf ihrem Land entdecken, das Nordkirchenschiff, eine Reformationsrede bei einem Steuerberater-Kongress, Theaterstücke auf kleinen und großen Bühnen, neu gestaltete Webseiten und Andachtsformen in Social Media - die Reformation hat 2017 an vielen Orten in vielen Veranstaltungen eine Rolle gespielt, als Anlass, Redenthema, Diskussionspunkt in der ganzen VELKD. Mit diesen Schlaglichtern aus ihren Gliedkirchen machte die Generalsynode der VELKD am Freitag den Auftakt zur Diskussion "Zukunft aus gutem Grund" über die evangelische Kirche nach dem Reformationsjubiläum.
Bei der Debatte in Bonn berichteten Vertreter der Landeskirchen von vielfältigen Kooperationen mit Vereinen und Kultureinrichtungen, über die auch kirchenferne Menschen erreicht worden seien. "In vielerlei Hinsicht sind wir in See gestochen", sagte Jacqueline Barraud-Volk, Vizepräsidentin der Generalsynode. Nun müssten die Erfahrungen mit neuen Formen kirchlicher Angebote an ungewöhnlichen Orten ausgewertet und entschieden werden, wie die Reise weitergeht. Der bayerische Synodale Jonas Straßer wies jedoch zugleich darauf hin, dass die Erkenntnis allein nicht ausreiche, dass Kirche auf Menschen zugehen müsse.
Ähnlich argumentierte der Leipziger Theologie-Professor Alexander Deeg. Es brauche "neben den mit Liebe gefeierten Gottesdiensten intermediäre Veranstaltungen, die offen sind und einladend, aber nichts mit Kirchenwerbung zu tun haben", sagte Deeg, Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der VELKD. Er lobte aber auch die Vielfalt der Gottesdienstformen, die sich 2017 ergeben haben, ökumenisch wie lutherisch. Den einen evangelischen Gottesdienst gab es schon immer "in verschiedenen Klangfarben", sagte Deeg. Die stärkste Erwartung der Gottesdienstbesucher sei die Begegnung mit Gott, und die dürfe man nicht enttäuschen. "So uninteressant, wie wir manchmal in der Kirche meinen, ist Gott nicht", hielt Alexander Deeg der Generalsynode vor: "Menschen spüren, ob wir die Frage nach Gott ernst nehmen." Gottesdienst am Sonntag und weltliches Handeln am Montag hingen eng zusammen.
In den kommenden Jahren gebe es noch genug Anlässe, nach dem Reformationsjubiläum weiterzufeiern, sagte Deeg. Die Reformation war mit dem legendären Thesenanschlag ja nicht zu Ende, sondern habe erst ihren Anfang genommen.
Bischof Ulrich: Lutherisches Kirchenverständnis nicht hergeben
Auch der Leitende Bischof Gerhard Ulrich nannte das Reformationsjubiläumsjahr einen Aufbruch – allerdings einen, von dem vielleicht "nicht so klar war, dass es einer war". Die überfüllten Kirchen am Reformationstag hatten ihn und viele andere überrascht. "Wir denken immer noch zu klein von uns", gab Ulrich zu bedenken. Man müsse jetzt den Schwung aus dem Reformationsjubiläum nicht nur für die Kirche nutzen, sondern auch als "kreative Kraft für die Gesellschaft insgesamt". Dazu gehöre auch, nicht "dauernd um uns selbst zu kreisen" und das "Jammern auf hohem Niveau" zu lassen. Nach der Reformationsdekade und dem Reformationstag könnten die lutherischen Kirchen ihre eigene Position selbstbewusst vertreten, sowohl in der Ökumene als auch in der gesamten Gesellschaft.
Gerade die Kritik der wissenschaftlichen Theologie während des Reformationsjubiläums habe dazu beigetragen, die lutherische Position noch einmal zu verdeutlichen, sagte Ulrich. Das Kirchenverständnis, das in der Reformation errungen worden ist, dürfe man nicht hergeben – damit nahm der Landesbischof unter anderem Kritik von Ulrich Körtner auf, der die Aufweichung lutherischer Theologie zugunsten der Ökumene kritisiert hatte. Als Beispiel nannte Ulrich die manchmal geäußerte Idee, der Papst könnte ein "Oberhaupt aller Christen" sein, selbst wenn er Franziskus heißt: "Das entspricht nicht dem lutherischen Kirchenverständnis!"
Welchen Schwung die EKD aus dem Reformationsjubiläum mitnehmen kann, darüber diskutieren die Synodalen von VELKD, UEK und EKD im Laufe ihrer verbundenen Tagung. Die Diskussion darüber steht für Montag, 13. November, auf der Tagesordnung.