Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn nun kommt neben dem ersten Subgenre des Rentnerfilms – deutsche Senioren in Südostasien – ein zweites in Spiel, das ARD und ZDF schon seit vielen Jahren pflegen: Die Frau hat sich stets den Plänen ihres Mannes unterworfen und möchte nun endlich jene traute Zweisamkeit nachholen, die dem Paar jahrzehntelang verwehrt war, weil sich sein Leben nur um die Arbeit drehte; aber nun muss sie frustriert erkennen, dass der Gatte gar keine Lust auf einen gemeinsamen Lebensabend hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dieser abrupte Stimmungswechsel etwa in der Mitte des Films ist durchaus mutig. Bis dahin unterscheidet sich die Inszenierung Florian Gärtners ("Mongolettes") kaum von früheren Produktionen der ARD-Tochter Degeto, in denen die unterschiedlichen Erwartungen in die Jahre gekommener Ehepaare aufeinander prallten. Allerdings bietet "Schwarzbrot in Thailand" angesichts des Schauplatzes erstaunlich wenige Tourismusbilder, obwohl Tanjas Ausflüge dafür reichlich Anlass geboten hätten. Die Kamera bleibt bei Ottmar; Exotik gibt es nur in Form einiger Strandaufnahmen. Buch und Regie kümmern sich lieber um zwei Nebenfiguren, die zunächst nur der Auflockerung der Handlung zu dienen scheinen: Kaum angekommen, lernen Ottmar und Tanja die aufgekratzte Becky (Leslie Malton) kennen. Eigentlich heißt sie Gudrun, war einst Groupie aller möglichen Rockstars, arbeitet als Kellnerin in "Udo’s Biergarten" und bekämpft ihre angeblich chronischen Kopfschmerzen mit allerlei Drogen, die auch mal versehentlich in der Suppe eines Gastes landen. Ottmars Hinweis, Drogen machten doof, kontert sie mit ihrem Lebensmotto "Lieber doof als schlechte Laune".
In die Kategorie "Abgeschoben" gehört dagegen der demente Herr Lobinger (Peter Franke), der im Dorf von Altenpflegerin Anchalee (Dujdao Vadhanapakorn) seinen Frieden findet. Der pensionierte Richter wird zunächst als Witzfigur eingeführt, weil er sich angesichts der vielen "Schlitzaugen" im eigenen Land nicht mehr heimisch fühlt, wandelt sich aber mehr und mehr zur wahrhaft tragischen Figur der Geschichte: In seinen klaren Phasen wird dem alten Herrn bewusst, wie er unaufhaltsam verschwindet. Einer dieser lichten Momente hat immerhin zur Folge, dass Ottmars Fiasko nicht ganz so drastisch ausfällt.
Sympathische Scherze
Gärtner erzählt die Geschichte auch im komödiantischen ersten Teil mit überschaubarem Tempo. Die Scherze sind nicht überschäumend, aber sympathisch: Ottmar sucht in einem Kramladen nach einem Videorecorder, "VHS!", und der Verkäufer bietet ihm freudestrahlend ein HSV-Trikot an. Die Anzahl der inszenierten Gags ist ebenfalls überschaubar, aber ähnlich amüsant: Die Kamera schwenkt die aufgekratzten Rentner bei der Wassergymnastik ab und endet schließlich beim griesgrämigen Ottmar. Wichtiger als eine aufgesetzte Dynamik war dem Regisseur offenkundig die Arbeit mit den Schauspielern. Sein Film ist beinahe eine Hommage an Marie Gruber und Veit Stübner; die beiden werden sonst zumeist im besten Sinn des englischen Begriffs "Supporting Actor" als wichtige Nebenfiguren besetzt, die mehr als bloß Stichwortgeber für die Hauptdarsteller sind.
Dass "Schwarzbrot in Thailand" mehr als bloß eine Rentnerkomödie mit ernsten Untertönen sein will, zeigt auch der Umgang mit der Sprache: Die Einheimischen dürfen thailändisch reden. Anchalee kann zwar deutsch, weil die Pflege deutscher Rentner ihr Beruf ist, aber sie spricht mit starkem Akzent. Davon abgesehen muss man den Verantwortlichen ja schon dankbar sein, dass Gärtner den Film nicht mit Ottmars Absturz beginnen und die Geschichte dann als Rückblende erzählen musste.