TV-Tipp: "Angst - Der Feind in meinem Haus" (ZDF)

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TV-Tipp: "Angst - Der Feind in meinem Haus" (ZDF)
16.10., ZDF, 20.15 Uhr: "Angst - Der Feind in meinem Haus"
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt: Friedrich Schillers "Tell"-Zitat ist die denkbar treffende Zusammenfassung des Romans "Angst", den der stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit vor einigen Jahren geschrieben hat. Die Geschichte basiert auf eigenen Erlebnissen, selbst wenn der Schluss vermutlich Fiktion sein dürfte; Kurbjuweit selbst hat auch das Drehbuch verfasst.

Der ZDF-Zusatz "Der Feind in meinem Haus" dürfte zwar eher der Tatsache zu verdanken sein, dass es bereits Dutzende Thriller mit dem Titel "Angst" gibt, bringt die Situation von Familie Tiefenthaler aber auf den Punkt: Das Ehepaar (Anja Kling, Heino Ferch) ist samt seinen beiden Kindern kürzlich in eine Eigentumswohnung im Herzen Berlins gezogen, mit viel Garten, Licht und Luft; und einem Nachbarn. Der lebt im Souterrain, das mit seiner düsteren Muffigkeit und der altmodischen Einrichtung den exakten Gegenentwurf zu den hellen Räumen der Tiefenthalers bildet. Für Herrn Tiberius (Udo Samel) gilt das nicht minder. Der alte Mann sieht zwar aus wie ein Wildecker Herzbube und begrüßt die Familie mit Plätzchen und Kuchen, entpuppt sich jedoch schließlich als der personifizierte Albtraum für Randolph und Rebecca. Als sie seine Freundschaftsversuche höflich, aber bestimmt zurückweisen, bezichtigt er sie schließlich des sexuellen Missbrauchs ihrer eigenen Kinder und erstattet Anzeige. Für das Ehepaar beginnt ein Nachtmahr, das wie im Hollywood-Thriller nur auf denkbar drastische Weise beendet werden kann; aber das ist noch nicht der Schluss der Geschichte.

Auch ohne den authentischen Hintergrund wäre "Angst" ein fesselnder Film, selbst wenn Regisseur Thomas Berger bis auf wenige Ausnahmen auf handelsübliche Thrillereffekte verzichtet. Zu Beginn künden allein die Musik und Rebeccas Feststellung "Wir hätten nie in dieses Haus ziehen dürfen" von den düsteren Ereignissen, die der Familie bevorstehen. Die Handlung beginnt mit der Fahrt der Tiefenthalers zu einer Gerichtsverhandlung; wem der Prozess gemacht wird, stellt sich erst zu Beginn des letzten Aktes heraus, als die Rückblende den Auftakt eingeholt hat. Bis dahin sorgen Kurbjuweit und Berger dafür, dass sich sowohl die zunehmende Hilflosigkeit wie auch die wachsende Wut des Paars gut nachvollziehen lässt. Die beiden suchen zwar eine Anwältin auf und gehen auch zur Polizei, doch rein rechtlich ist gegen Tiberius kein Kraut gewachsen. Dass der alte Mann, der durch einen Luftschacht jedes Wort in versteht, das die Nachbarn miteinander wechseln, Rebecca per Brief gesteht, er sei in sie verliebt, ist ebenso wenig verboten wie das Gedicht, das er ihr widmet; selbst wenn darin von ihrem Tod die Rede ist. Aber natürlich hinterlässt der subtile Terror seine Spuren in den Köpfen. "Die Angst vor der Hölle, das ist die Hölle", sagt Rebecca beim Prozess. Randolph beklagt das Versagen des Staates, was wohl auch Kurbjuweits Anliegen ist: Die Bürger überlassen dem Staat das Gewaltmonopol, dürfen im Gegenzug aber erwarten, dass sie vor Menschen wie Tiberius beschützt werden.

Zwischendurch liefert das Drehbuch mehrere Motive für das Verhalten des Nachbarn, der im Souterrain bereits seine Kindheit verbracht hat, ehe er ins Heim kam, und während des Prozesses erfahren die Tiefenthalers ein weiteres psychologisches Detail; aber die Geschichte hätte auch ohne die Verweise auf die Heimkindheit funktioniert. Viel überzeugender sind die Auftritte von Udo Samel. Er verkörpert Tiberius gerade nicht als Monster, sondern als zwar etwas sonderbaren, aber scheinbar freundlichen älteren Herrn, der ganz harmlos Anschluss sucht. Nicht ungeschickt ist auch die Idee, die Situation des Paars durch eine Ehekrise zusätzlich zu dramatisieren: Architekt Randolph nimmt sich abends lieber Arbeit mit ins Restaurant, anstatt nach Hause zu fahren, weshalb in erster Linie Rebecca das Opfer der Nachstellungen wird: Erst muss sie sich eine anzügliche Bemerkung anhören, als sie im Wäscheraum einen Slip aufhängt, später erschrickt sie fast zu Tode, als Tiberius am späten Abend zum Fenster reinstarrt. Bis zum Missbrauchsvorwurf ist die Bedrohung aus Randolphs Sicht abstrakter Natur, während Rebecca nicht nur mit den Nachstellungen von Tiberius konfrontiert wird, sondern auch noch mit ihren Beziehungszweifeln allein bleibt. Als der Terror im Kopf schließlich auch für ihren Mann beginnt, ist die anfängliche Idylle endgültig zerstört: weil fortan ein unbefangener Umgang mit den Kindern kaum noch möglich ist. Sätestens jetzt lässt sich das weitere Verhalten gut nachvollziehen.