Eine Stewardess taugt daher nur bedingt als Heldin einer Liebesgeschichte, erst recht, wenn sie ihre Ungebundenheit überaus schätzt; es sei denn, eines Tages sitzt Mr. Right in ihrem Flugzeug. Vor zwanzig Jahren hätte diese Herausforderung vermutlich für neunzig Filmminuten genügt, aber heutzutage muss die Hürde höher sein, und deshalb sind die Dinge in "Love is in the Air" komplizierter: Die ebenso selbstbewusste wie attraktive Charlotte (Jasmin Gerat) fliegt für Germanair jeden Dienstag von Berlin nach New York. Als sie sich intensiv um einen Passagier mit ausgeprägter Flugangst kümmert, kommen sich die beiden nahe; unfreiwillig zwar, aber nicht unangenehm. Klaus (Oliver Mommsen) ist gebürtiger Schwabe und betreibt eine deutsche Bäckerei in Brooklyn; die Begegnung ist der Beginn einer stürmischen Dienstagsbeziehung.
Wie fast immer in Romanzen dieser Art begnügt sich das Drehbuch beim Liebespaar mit jeweils einem wesentlichen Merkmal: Sie will ihre Freiheit nicht aufgeben, er ist in New York verwurzelt und hat außerdem einen Sohn (der überraschend gut und völlig akzentfrei deutsch spricht), ein Umzug nach Deutschland kommt daher nicht in Frage. Damit Charlotte ebenfalls einen moralischen Grund hat, Berlin nicht verlassen zu wollen, gibt es eine dritte Figur, die fast genauso wichtig ist wie die beiden anderen, und jetzt wird die Handlung komplex: Feli (Jasmin Schwiers), ebenfalls Stewardess, ist Charlottes beste Freundin; und schwanger. Der Erzeuger ist angeblich eine flüchtige Flugbekanntschaft. Weil Feli nun zum Bodenpersonal wechseln muss, kann sie sich die gemeinsame Wohnung nicht mehr leisten. Charlotte verspricht ihr, immer für sie und das Baby da zu sein. Da sie selbst keine Kinder will, wären die beiden ihre Ersatzfamilie, und deshalb bleibt für Klaus nur der Dienstag; aber der will irgendwann mehr als nur ein Siebtel Liebe.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Eine schöne Geschichte mit viel Potenzial und großem Subtext, schließlich geht es neben der Beziehung zwischen Charlotte und Klaus auch um Freundschaft, weibliche Solidarität, Opferbereitschaft und Heimat; lauter große Themen, die Autorin Birgit Maiwald zwar im Vorübergehen, aber durchaus angemessen behandelt. Dass die Romanze trotzdem kaum über das Mittelmaß typischer Sat.1-Komödien hinauskommt, hat eher mit der Umsetzung zu tun. Regisseur André Erkau hat einige richtig gute Kinofilme gedreht; "Selbstgespräche" (2007), "Arschkalt" (2011) und "Das Leben ist nichts für Feiglinge" (2013) waren ausnahmslos sehenswerte Tragikomödien. Für seine Fernseharbeiten gilt das eher nicht: Seine "Tatort"-Episoden für den WDR, "Wahre Liebe" aus Köln (2014) und "Schwanensee" aus Münster (2015), waren im Rahmen des jeweiligen Standards eher schwächere Werke. Das mag nicht zuletzt an den Drehbüchern gelegen haben, aber "Wolfsland – Ewig Dein" (2016) war auch bildsprachlich nicht überzeugend. Diesmal hatte Erkau zudem womöglich gewisse Budgetprobleme: "Love is in the Air" ist seit der Fusion von ProSieben und Sat.1 (2008) die erste Arbeit der ZDF-Tochter Network Movie für den Sender, aber der Etat war ganz offensichtlich längst nicht so hoch wie bei den Produktionen fürs "Zweite". Angesichts der Kammerspielhaftigkeit des Films, der größtenteils aus Innenaufnahmen besteht, wirkt das Kinoformat etwas absurd; Erkau und Kameramann Gero Steffen schöpfen die größere Breite der Bilder überhaupt nicht aus. Die meisten Besitzer moderner Geräte werden das Format ohnehin ihrem Bildschirm anpassen.
Wenn die romantische Komödie trotzdem sehenswert ist, liegt das vor allem an den drei Hauptdarstellern, und deren Leistung ist natürlich auch Erkaus Verdienst. Oliver Mommsen und Jasmin Gerat vermitteln die Anziehungskräfte zwischen Klaus und Charlotte lebensnah und glaubwürdig; das gilt vor allem für Charlottes Hin- und Hergerissenheit. Auch Jasmin Schwiers spielt weit mehr als nur die in Geschichten dieser Art obligate beste Freundin der Heldin, zumal Feli ein Geheimnis hütet, an dem die Freundschaft beinahe zerbricht. Zur Not kann Schauspielkunst auch mal kleinere Unstimmigkeiten kaschieren, aber an größeren muss sie scheitern. Selbst Gerat kann daher nicht vermeiden, dass Sätze, die tiefschürfend klingen sollen, bloß pseudotief sind: "Eigentlich lernen wir die Menschen, die wir auf unseren Reisen treffen, doch nie wirklich kennen." Immerhin gelingt es ihr, dass sich der Spruch "Ich erweitere lieber meinen Horizont als meinen Bauchumfang" wie aus dem Ärmel geschüttelt anhört. Aber dass Charlotte ihre Freundin permanent "Süße" nennen muss, ist auf Dauer echt penetrant.
Wenig glaubwürdig ist auch die Drehbuchbegründung für Charlottes gewollte Kinderlosigkeit: Im Rahmen einer konstruiert wirkenden Familienfeier zeigt ihr Schwager ein digitalisiertes altes Video. Der Film ist vor langer Zeit bei einem Geburtstagsfest aufgenommen worden, an dem Charlotte und ihre Schwester erfahren haben, dass ihr Vater zu einer anderen Frau zieht. Das Erlebnis war angeblich traumatisierend, aber dafür hat die Szene viel zu wenig Gewicht. So bleibt es bei der Behauptung, eine Trennung der Eltern habe quasi automatisch die Kinderlosigkeit der nächsten Generation zur Folge. Wäre dem tatsächlich so, hätte sich die Wohnungsnot in den Ballungsräumen recht bald erledigt.