Wenn Hauptkommissar Otto Garber im Bestattungsinstitut irritiert mit einer Urne in Form eines Fußballs hantiert, tut Regisseur Thorsten M. Schmidt gut daran, den Moment im Hintergrund zu belassen: weil er auf diese Weise viel wirkungsvoller ist. Für den Film ist die Szene jedoch eher untypisch, weshalb viele Dialoge, die bei einer anderen Ausrichtung der Geschichte schwarzhumorig wären, zynisch klingen. So ist auch der Titel "Gestorben wird immer" zu verstehen: Letztlich geht es in Jürgen Pomorins Geschichte um den Trend, Beerdigungen zu Discounterpreisen zu verscherbeln. Das Berliner Unternehmen "Letzte Reise" treibt es in dieser Hinsicht besonders weit; entsprechend unbeliebt sind die beiden Geschäftsführer Kreuzkamp und Lichte. Kreuzkamp (Jockel Tschiersch) ist ohnehin ein höchst unsympathischer Vertreter seine Fachs, wenn auch nicht lange, denn er landet wenige Minuten nach Filmbeginn tot in einem Grab, das für jemand anderen vorgesehen war. Die zwei Schüsse in die Brust sind eine gerechte Strafe; aber wofür?
Sebastian Klöckner (Matthi Faust), Nachfolger des im Rahmen eines Sabbaticals zur Weltreise aufgebrochenen Ben Kolberg, hat eine Idee: Größter Leidtragender von Kreuzkamps unmoralischem Geschäftsgebaren war ein alteingesessener Mitbewerber, der sich aus Gram über die unvermeidliche Insolvenz das Leben genommen hat. Klöckner hat keinen Zweifel daran, dass die Tochter (Maria Simon) des Mannes den Konkurrenten gekillt hat, zumal er in ihrem Müll Reste einer Patronenschachtel findet. Garber ist das zu einfach. Sein Favorit ist ein cholerischer Vorbestrafter (Alexander Hörbe), dessen siebzigjährige Mutter sich von "Letzte Reise" eine viel zu teure Beerdigung für ihren verstorbenen Mann hat aufschwatzen lassen und jetzt putzen gehen muss, um die Schulden zu bezahlen. Aber dann stellt sich raus, dass sich Kreuzkamp und sein aalglatter Kompagnon (Uwe Ochsenknecht), die die Leichen in Tschechien verbrennen lassen, ein einträgliches Nebengeschäft betreiben: In den Urnen stecken neben der Asche auch Beutel mit Crystal Meth, und mit Drogendealer Karim Al-Jazari (Samir Fuchs) ist nicht zu spaßen. Aber es gibt noch jemanden, der mit Kreuzkamp eine offene Rechnung hatte.
"Gestorben wird immer" ist ein solider Krimi, was im Rahmen der Reihe jedoch einen Rückschritt darstellt; seit Stefanie Stappenbeck 2016 Maja Maranow ersetzt hat, waren die Filme immer sehenswert. Pomorins Geschichte ist nicht uninteressant, aber ihr wie auch der Inszenierung fehlt der letzte Biss. Zu viele Szenen wirken wie Versatzstücke, etwa ein kurzer Moment der Besinnung, als Garber über die Endlichkeit des Daseins philosophiert, oder die Mitwirkung von Jaecki Schwarz als Sputnik. Garbers Ex-Kollege ist diesmal unter die Versicherungsvertreter gegangen und hat dem Teamchef Reddemann (Arnfried Lerche) das komplette Paket aufschwatzt, inklusive einer Versicherung gegen das Steckenbleiben in einem Fahrstuhl, was zu einem netten Schlussgag führt. Mit der eigentlichen Handlung aber haben die Auftritte Sputniks nur insofern zu tun, als seine Sterbeversicherung unter dem Motto "Zahl’ jetzt, stirb später" steht; ebenfalls ein guter Filmtitel, selbst wenn es sich um die Paraphrasierung eines Woody-Allen-Zitats handelt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Schade auch, dass der "Neue" kaum Gelegenheit bekommt, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Reddemann hat Klöckner aus der Abteilung für Organisierte Kriminalität abgeworben, was aber zumindest diesmal noch keine größere Rolle spielt; sieht man davon ab, dass der von Garber hartnäckig "Al Jazeera" ausgesprochene Al-Jazari kein Unbekannter für ihn ist. Samir Fuchs wiederum gelingt es bei seinen wenigen Szenen als Anführer des Araber-Clans fast mühelos, sämtliche Mitwirkenden schon allein mit seinem Lächeln zu überstrahlen, weshalb sich ein Gedankenspiel aufdrängt: Jemand wie Fuchs wäre womöglich der reizvollere Nachfolger für Kai Lentrodt gewesen. Damit hätten die Verantwortlichen gleich zwei Leerstellen gefüllt: Kolberg war ein Frauenschwarm, was die Geschichten oft um ein weiteres Element bereichert hat; für den attraktiven Fuchs ein Kinderspiel. Außerdem ist seit dem Abschied von Tayfun Bademsoy (2009) die Stelle des Ausländerbeauftragten verwaist. All’ das ist jedoch rein hypothetisch und allein der Tatsache geschuldet, dass Matthi Faust keine Gelegenheit bekommt, sich zu profilieren.