TV-Tipp: "Tatort: Experiment" (NDR)

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TV-Tipp: "Tatort: Experiment" (NDR)
15.8., NDR, 23.30 Uhr: "Tatort: Experiment"
Der Film beginnt mit der Aufnahme eines menschenleeren Krankenhausflures. Schon die Dauer dieser ersten Einstellung vermittelt: Hier tragen sich Dinge zu, die nicht gut sind.

Der 14. gemeinsame Fall des Hamburger "Tatort"-Duos Stoever und Brockmöller ist ein klassischer Krimi, allerdings eher im Sinn von konventionell als von Klasse; die Spannung hält sich ebenfalls in Grenzen. Sehenswert ist der Film trotzdem, denn Manfred Krug und Charles Brauer sind in gewohnt guter Form, und die Geschichte ist ebenfalls interessant. Der Film beginnt mit der Aufnahme eines menschenleeren Krankenhausflures. Schon die Dauer dieser ersten Einstellung vermittelt: Hier tragen sich Dinge zu, die nicht gut sind. Eine Schwester taucht auf, dann eine auf Anhieb unsympathische Ärztin, schließlich ein Arzt; diese drei sind zunächst die Hauptfiguren des sich nun entwickelnden Dramas. Die Schwester allerdings wirkt nicht lange mit. Sie wird am nächsten Tag tot aufgefunden, offenbar ist sie vom Balkon gestürzt; oder gestürzt worden? Schwester Herta (Christiane Reiff) arbeitete auf der Männerstation. Hier liegen auch die Rheumapatienten; gerade erst ist einer gestorben, als Herta Kremer Nachtdienst hatte. Das ist nichts Ungewöhnliches, die Herren sind alle betagt, aber wer Rheuma hat, stirbt nicht unbedingt an Herzversagen, wie es im Totenschein vermerkt wird; und hat erst recht keine inneren Blutungen, wie sie die Nachtschwester bemerkt hat. Trotzdem sind die Patienten im Rheumazimmer von der neuartigen Therapie, mit denen das Ärzteduo Schneider und Zauner (Margarita Broich, Felix von Manteuffel) sie behandelt, begeistert. Sie bekommen nicht die üblichen Tabletten, sondern Spritzen, die ihnen auch nicht von den Schwestern, sondern von den Ärzten persönlich verabreicht werden. Viele der Männer können zum ersten Mal seit langer Zeit wieder laufen; sie haben keine Ahnung, wie hoch der Preis dafür ist. Herta gelingt es, eine der Ampullen beiseite zu schaffen, sie wickelt sie in Bonbonpapier und versteckt sie in der Tüte, aber weitere Nachforschungen verhindert ihr Ableben.

Menschenversuche waren schon 1992 bei der Erstausstrahlung dieses Films mit dem schlichten Titel "Experiment" nicht neu im "Tatort"; unter anderem hat bereits der Berliner Beitrag "Freiwild" (1984) eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. Interessant wird der Hamburger Krimi, als Stoever und Brockmöller (Manfred Krug, Charles Brauer) herausfinden, welchen Machenschaften die Schwester auf der Spur war. Zunächst verdächtigt das Duo zwar ihren Exfreund Sasse (Christoph Hofrichter), zumal der Mann in großem Stil Medikamente geklaut hat, aber dann wird den beiden klar, dass der Fall eng mit Hertas Arbeit zu tun hat; außerdem bereitet es der unangenehmen Frau Dr. Schneider allzu offensichtliches Unbehagen, dass Stoever mit den auskunftsfreudigen Rheumapatienten plaudert. Die Ärztin war eine der ersten TV-Rollen für Margarita Broich, damals Anfang dreißig, die die rothaarige Frau als finstere Lady MacBeth verkörpert.

Halbwegs spannendes Finale und Schlussgag

Gegengewicht zur Titelebene ist das Zusammenleben der beiden Kommissare, die zwischendurch immer wieder Neil Simons verfilmtem Bühnenstück "Ein seltsames Paar" nacheifern: Weil es in Stoevers Wohnung gebrannt hat, hat er mit seinen verbliebenen Habseligkeiten bei "Brocki" Asyl gefunden, aber die beiden Männer gehen sich zunehmend auf die Nerven; das ist stellenweise zwar recht witzig, entwertet in gewisser Weise aber die Seriosität des eigentlichen Falls (Drehbuch: Peter Sichrowsky, Dieter Hirschberg). Endgültig ernst wird der Film, als Meyer zwei (Lutz Reichert) nicht widerstehen kann, sich ein Bonbon aus dem Beweismaterial stibitzt und dabei auf die Ampulle stößt. Weil sie offiziell nicht weiterkommen, beschließen die Kommissare, dass Brockmöller einen Herzinfarkt vortäuschen und im Krankenhaus undercover ermitteln soll. Das geht solange gut, bis Schneider ihm auf die Schliche kommt und ihn kurzerhand in die geschlossene Abteilung bringen lässt. Die Beteuerungen des Beamten, er sei keineswegs verrückt, sondern bei der Kripo, passen dummerweise perfekt ins psychische Krankheitsbild. Derweil beseitigt die Ärztin einen weiteren Zeugen, und als Chefarzt Wimmer (Ludwig Haas) der hohen Sterblichkeitsrate unter den Rheumapatienten nachgehen will, ist auch sein Leben in Gefahr, was dem Film immerhin ein halbwegs spannendes Finale beschert.

Regie führte Werner Masten, der mit Krug viele Folgen der Serien "Auf Achse" (1985 bis 1992) und "Liebling Kreuzberg" (1988 bis 1994) gedreht hat. Typisch für die Zusammenarbeit der beiden ist der Schlussgag, als Stoever ein Schäferstündchen mit der Krankenhausbibliothekarin hat. Das wurde wohl auch mal Zeit, schließlich hatte er, wie er dem zum Glück nicht zu früh heimgekehrten Brockmöller mitteilt, "in zwanzig ‚Tatorten’ noch nie ’ne Frau." Tatsächlich war "Experiment" für Krug erst "Tatort" Nummer 17, aber die Reize von Dolly Dollar konnten einem Mann in den besten Jahren schon mal die Sinne verwirren.