TV-Tipp: "Hannas Reise" (WDR)

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TV-Tipp: "Hannas Reise" (WDR)
10.8., WDR, 23.25 Uhr: "Hannas Reise"
Der Satz klingt zynisch, ist aber eher auf die Unbekümmertheit der Jugend sowie auf die Gnade der viel zu späten Geburt zurückzuführen: "Was mit Juden kommt immer gut; und behinderte Juden zählen doppelt." Mit diesen Motiven im Gepäck macht sich die Berliner BWL-Studentin Hanna auf den Weg nach Tel Aviv: Ein Praktikum in einer Behinderteneinrichtung soll ihren Lebenslauf mit sozialer Kompetenz aufhübschen und ihre Chancen vergrößern, nach dem Studium einen Job bei einer begehrten Unternehmensberatung zu ergattern.

Die ARD hat dem Film das Etikett "Komödie" gegeben. Genauso gut könnte man von einer Romanze sprechen, aber beides wird dem Film nicht gerecht. "Hannas Reise" ist eine typische "Coming of age"-Geschichte, ein Film über das Erwachsenwerden einer eher oberflächlichen jungen Frau (Karoline Schuch), deren Dasein bislang auf ihre Karriere fixiert war. Erst in Israel wird ihr klar, wie die gemeinsame Zukunft mit ihrem Freund (Trystan Pütter) aussehen wird: Beide werden ständig kreuz und quer durch Europa reisen; das gemeinsame Liebesnest, auf das sie sich freuen, wird meistens verwaist bleiben.

Und noch ein reizvoller Aspekt zieht sich durch die Handlung, die auf Theresa Bäuerleins Roman "Das war der gute Teil des Tages" beruht, und auch diese Ebene bietet eine Menge Anknüpfungspunkte: Hanna hat seit vielen Jahren ein höchst schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Uta (Suzanne von Borsody) ist Friedensaktivistin und hatte nie viel Zeit für die Tochter; ihre Beziehung zu den eigenen Eltern war ähnlich kompliziert. In Israel findet Hanna raus, warum das so war: Neben der Arbeit in dem Behindertendorf soll sie auch Kontakt zu einer Holocaust-Überlebenden knüpfen. Die kluge alte Gertraud (Lia Koenig) erkennt die rothaarige Hanna sofort als Utas Tochter, denn auch die war vor vierzig Jahren bei ihr in Tel Aviv. Sie hat dort dank Gertraud Dinge erfahren, die sie ihre Eltern in einem völlig anderen Licht sehen ließen; und Hanna versteht endlich, warum ihre Mutter so ist, wie sie ist.

Julia von Heinz, die das Drehbuch gemeinsam mit John Quester geschrieben hat, erzählt diese potenziell dramatische Geschichte mit leichter Hand; insofern ist das Etikett Komödie durchaus zutreffend, zumal sich Hanna und Itay (Doron Amit), ihr Betreuer in der Einrichtung, zunächst gegenseitig mit zynischen Sprüchen übertrumpfen. Witzig ist auch Hannas Ankunft in ihrer neuen Behausung: Die Wohngemeinschaft mit anderen Deutschen, die ebenfalls im Auftrag von Utas "Aktion Friedensdienst" in Tel Aviv sind, ist völlig verwahrlost und ein echter Saustall; Hannas Zimmer hat nicht mal eine richtige Tür. Zum Ausgleich bietet der Film viele schöne nachdenkliche Momente, die verdeutlichen, wie sich die junge Frau langsam verändert; Karoline Schuch spielt das sehr glaubwürdig, zumal die zunächst völlig naive Hanna am Anfang alles falsch macht. Gerade die Szenen mit den Behinderten sind mit viel Feingefühl inszeniert und auf warmherzig sympathische Weise humorvoll. Gleiches gilt für die Gespräche Hannas mit Gertraud und den anderen Alten im Seniorenheim, die allesamt "krasse Geschichten" erzählen könnten. Angenehm beiläufig lässt Heinz auch aktuelle israelische Themen einfließen: Immer wieder weisen Fernsehberichte auf Zusammenstöße mit Palästinensern hin, und Hannas WG-Mitbewohnerin bezeichnet die Regierung als "Apartheid-Regime". Ein sehenswerter Film über die Reise einer jungen Frau zu sich selbst, der nebenbei viel über das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel erzählt; und eine Romanze gibt es auch noch.