Schon der Einstieg verdeutlicht, dass "Sturm im Kopf" kein Sonntagskrimi wie jeder andere ist; allerdings gilt das im Grunde für jeden "Polizeiruf"-Beitrag aus Rostock. Der Film beginnt mit einem Schnittstakkato und führt dann innerhalb kurzer Zeit mehrere Erzählebenen ein. Die interessanteste Figur ist dabei ein Mann, dessen Ich durch einen Schock seinen Anker verloren hat: Max Schwarz (Christian Friedel) hat, wie es eine Ärztin ausdrückt, keinen Zugang zu seiner Festplatte mehr. Rollen dieser Art sind bei Drehbuchautoren sehr beliebt, weil es für solchermaßen psychisch entwurzelte Menschen kein typisches Muster gibt. Im Krimi sind sie selbstredend die perfekten Verdächtigen. Das gilt auch für Schwarz, denn wie sich rausstellt, hat der Informatiker seinen Chef erpresst; und der ist nun tot.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das klingt nach einer überschaubaren Handlung, aber "Sturm im Kopf" erzählt gerade auch dank der Umsetzung durch Christian von Castelburg, der mit diesem Film seinen dritten "Polizeiruf" mit dem Duo Bukow und König (Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau) inszeniert hat, eine ungleich komplexere Geschichte. Es geht um eine Windkraftanlage draußen in der Ostsee, und um Mauschelei in den höchsten Kreisen, weshalb dem Ermittlerduo alsbald der Fall entzogen wird. Und dann ist da ja auch noch der horizontale Handlungsstrang mit Bukows Ehekrise. Buch und Regie verzichten darauf, die Ereignisse des letzten Films ("Familiensache") nachzureichen, als sich rausstellte, dass Bukows Frau ein Verhältnis mit einem Kollegen (Josef Heynert) ihres Gatten hat. Autor Florian Oeller sorgt jedoch dafür, dass sich das Drama erneut in den anderen Erzählebenen spiegelt. Tatsächlich sind die Männer diesmal ausnahmslos Verlierer: Bukow ohnehin, denn die Ehe ist am Ende; der Kollege allerdings ebenfalls, denn das Verhältnis ist vorbei. Auch Schwarz hat keinen Bezug mehr zu seiner Frau (Marie Leuenberger), was aber noch andere Gründe hat; und sogar Pöschel (Andreas Guenther), der dritte Kommissar, zieht gegen eine Frau den Kürzeren. All das aber erzählt Oeller angenehm beiläufig. Im Vordergrund steht stets die Krimi-Ebene, und hier spitzt sich die Spannung zu, weil auf Schwarz ein Killer (Hilmar Eichhorn) angesetzt ist. Das ist zwar eigentlich gar nicht lustig, aber wie der Mörder immer wieder im letzten Moment scheitert, hat durchaus komische Züge.
Der männlichen Dominanz zum Trotz ist Katrin König diesmal die heimliche Hauptfigur; und das keineswegs bloß, weil die Männer allesamt auf der Nase landen. Auch sie hat zwar ein Problem, aber das hängt direkt mit dem Fall zusammen: Es gibt da noch eine alte Rechnung, die sie mit dem Innenministerium offen hat, und wie Oeller es einfädelt, dass die Geschichte wider Erwarten doch noch halbwegs gut ausgeht, ist ziemlich einfallsreich; selbst wenn man gerade gegen Ende das eine oder andere Auge zudrücken muss. Dennoch ist "Sturm im Kopf" ein herausragender Krimi; aber auch das galt bislang für sämtliche Episoden mit dem großartigen Gespann Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau.