Selbst große Schauspieler tun sich schwer damit, Menschen vom Rand der Gesellschaft zu verkörpern. Wenn es an ihren Auftritten überhaupt etwas zu bemängeln gibt, dann sind es die Momente, in denen die junge Frau wie eine typische Getto-Schlampe reden soll. Aber der Einwand ist angesichts ihrer formidablen Darbietung kaum der Rede wert. Dass sie ein großes Talent ist, hatte Fee, damals 17, schon in den beiden Kinderkrimistaffeln "Allein gegen die Zeit" sowie im "Löwenzahn"-Kinofilm gezeigt. Mit der Titelrolle in "Happy Birthday, Sarah" spielt sie sich in der Riege vielversprechender deutschsprachiger Nachwuchsschauspielerinnen ganz nach vorn, was fraglos auch der Führung durch Regisseur Oliver Kienle zu verdanken ist. Das wiederum ist fast noch bemerkenswerter, denn der hat hinter der Kamera bislang weitaus weniger Erfahrung gesammelt als die gebürtige Costaricanerin davor. Es spricht für das Vertrauen der SWR-"Tatort"-Redaktion, ihm nach seinem Regiedebüt, dem vom SWR koproduzierten Jugenddrama "Bis aufs Blut", gleich einen Sonntagskrimi anzuvertrauen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Wichtigster Schauplatz der Handlung ist ein Stuttgarter Jugendzentrum. Einer der hier beschäftigten Sozialarbeiter ist auf ungewöhnliche Weise ermordet worden: Erst wurde ihm der Schädel eingeschlagen, dann wurde er in einer Kloschüssel ertränkt. Die Kommissare Lannert und Bootz (Richy Muller, Felix Klare) stochern ein wenig herum, und nach einer halben Krimistunde ist der Fall geklärt: Sarah, ein Mädchen aus höchst problematischen Verhältnissen, gesteht, der Mann habe sie zum Sex zwingen wollen, da habe sie sich gewehrt. Sie wirkt ehrlich überrascht, als die Beamten sie trotzdem gehen lassen müssen, denn sie ist erst 13 und somit noch nicht strafmündig. Aber dann stellt sich raus, dass Sarah vor nicht allzu langer Zeit schon mal den Kopf für jemanden hingehalten hat. Es spricht einiges dafür, dass sie auch diesmal einen anderen deckt; aber wen?
Die Geschichte (Drehbuch: Wolfgang Stauch) ist weitaus komplexer, als sie zunachst wirkt, zumal die Ausflüge in den sozialen Brennpunkt fur öffentlich-rechtliches Abendprogramm durchaus ungewöhnlich sind; mitunter wahnt man sich bei RTL2. Und selbst wenn Ruby O. Fee den entsprechenden Slang nicht restlos überzeugend drauf hat: Unangenehm authentisch wirken die Szenen trotzdem. Vermutlich hat Antonio Wannek (als Freund von Sarahs Schwester) keine große Lust mehr, den Proll zu mimen, aber er macht das einfach erschreckend überzeugend. Gut integriert ist auch die private Ebene: Bootz lebt jetzt allein und muss sich ausgerechnet immer dann um seine Kinder kummern, wenn sein Partner ihn am dringendsten braucht.
Um so schöner ist ein beiläufiger Moment, in dem Lannert den Kollegen aus der Schusslinie nimmt. Stauch und Kienle haben die Handlung ohnehin um einige überraschende Einfälle angereichert. Sehr hübsch ist beispielsweise die Idee mit der Rottweiler-Hundin, die auf den Namen Rambo hört und Männchen macht, wenn man "Hallöle" sagt. Ältere Zuschauer werden zudem erfreut zur Kenntnis nehmen, dass Sarah ein Fan der frühen Stones-Alben ist; die entsprechenden Klassiker sind von Anfang an ein Signal der Hoffnung.