Als er seiner Mutter Johanna (Ulrike C. Tscharre) von der Taufe erzählt, ist sie zunächst überzeugt, es habe sich um eine Wette oder eine Mutprobe gehandelt; oder er sei betrunken gewesen. Diese Reaktion ist die erste Irritation: Die Taufe mag hierzulande kein Automatismus mehr sein, aber zwei Drittel der Deutschen sind zumindest formal nach wie vor Christen; Johanna jedoch reagiert, als habe sich der Sohn einer Sekte angeschlossen. Natürlich ist sie enttäuscht, dass der Junge sie nicht einbezogen hat, immerhin geht er schon seit einem Jahr zum Konfirmandenunterricht; trotzdem wirkt ihre emotionale Ablehnung, die sich auch in ihrer herablassenden Haltung gegenüber Bens patenter Pastorin Tabea (Christina Große) äußert, unmotiviert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die zweite Irritation ist die Konsequenz, die die Mutter zieht: Ihre Antipathie schlägt ähnlich unplausibel ins Gegenteil um. Nun will sie Ben ein Fest ausrichten, das er nie vergessen soll. Prompt fühlt sich der Junge überrumpelt, zumal Johanna lauter Leute einlädt, die er gar nicht kennt; sie macht seine Feier zu ihrer. Weil sie sich das Essen im teuren Restaurant gar nicht leisten kann, geht sie ins Casino, wo sie prompt ihre Ersparnisse verspielt. Das Geld aus einem zu überteuerten Konditionen aufgenommenen Kredit ist gleichfalls bald weg, und nun steht sie mit gänzlich leeren Händen da: Sie ist pleite und verschuldet, der Sohn wird erwachsen und entgleitet ihr, und ihren Freund Felix (Ben Braun), dem sie ihre Spielsucht nie gestanden hat, hat sie auch vergrault; er tröstet sich ausgerechnet mit Tabea.
"Die Konfirmation" bietet viele reizvolle Ansatzpunkte und passt selbstredend perfekt in die ARD-Themenwoche "Woran glaubst Du?"; Religion ist nur selten Gegenstand von Fernsehfilmen und als Thema potenziell hochinteressant. Johannas Mutter-Blues ist ein Aspekt, den ohnehin die meisten Eltern nachvollziehen können; und die Patchwork-Konstellation ist ebenfalls aktuell. Leider kann sich die mehrfache Grimme-Preisträgerin Beate Langmaack ("Guten Morgen, Herr Grothe") nicht entscheiden, welche Geschichte sie mit ihrem Drehbuch erzählen will. Das zeigt sich nicht zuletzt am häufigen Wechsel der Perspektiven: Mal steht Johanna im Zentrum, dann Ben und schließlich Felix. Natürlich kann so etwas trotzdem funktionieren, aber dann müssten die Figuren und ihre Motive schlüssiger sein. Gerade weil Bens Glaube für Johanna so etwas Abwegiges hat, hätte diese Ebene stärker in den Vordergrund gerückt werden müssen, zumal "Die Konfirmation" eine Produktion der Tellux-Film ist. Die Firma gehört zur Tellux-Gruppe, die sich mehrheitlich im Besitz der katholischen Bistümer befindet. Allerdings hätte die ARD (der Film wird von der ARD-Tochter Degeto verantwortet) eine theologische Auseinandersetzung vermutlich nicht akzeptiert; für einen Freitagsfilm ist der Stoff schon ungewöhnlich genug.
Auf der anderen Seite spricht Ben mit seinem Glaubensbekenntnis – "Da ist was, das größer ist als wir" – vielen Menschen aus dem Herzen. Gerade im Rahmen einer religiösen Themenwoche hätten daher noch ein paar Sätze mehr möglich sein müssen. Die Figur von Pfarrerin Tabea ist in dieser Hinsicht auch nicht weiter hilfreich. Es gibt eine Stippvisite im Konfirmandenunterricht, bei der sie kurz über den Unterschied zwischen dem Vater im Himmel und den leiblichen Vätern plaudert; ansonsten bleibt als bleibender Eindruck eine Konfirmanden-Party, die derart aus dem Ruder läuft, dass Tabea ausgerechnet Johannas Freund um Hilfe bittet. Felix weiß als Sozialpädagoge, wie man mit Jugendlichen umgeht, außerdem hat es bereits zwischen den beiden gefunkt, und so kommt eins zum anderen.
Regie führte der vielfach ausgezeichnete Stephan Krohmer (zuletzt "Neu in unserer Familie"), dessen Filme ansonsten fast ausnahmslos auf Drehbüchern von Daniel Nocke basieren. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, warum "Die Konfirmation" so unentschlossen wirkt; die Geschichte ist eigentlich ein Drama, aber Krohmer versucht, ihr einen leichten Tonfall zu geben, was wiederum nicht recht funktionieren will. Letztlich ist jedoch wohl das größte Manko, dass sich die Verantwortlichen nicht getraut haben, den Jungen uneingeschränkt zur Hauptfigur zu machen, aber damit tun sich die Sender grundsätzlich schwer, erst recht auf einem populären Sendetermin wie dem Freitag: weil die TV-Zuschauer angeblich erwachsene Identifikationsfiguren wollen. Dabei ist Ben die interessanteste Figur der Geschichte; seine Suche nach Orientierung offenbart sich unter anderem in seiner Verwirrtheit, als er feststellt, dass ihn die Avancen eines Mädchens im Konfirmandenunterricht auch deshalb kalt lassen, weil er sich zu einem Jungen hingezogen fühlt.
Sehenswert ist der Film dennoch, und das nicht nur wegen der guten Schauspielerriege, zu der auch noch Kai Wiesinger als Bens Erzeuger zählt: Langmaack und Krohmer mögen keine überzeugende Erzählstrategie gefunden haben, aber Denkanstöße vermitteln sie trotzdem.