13.6., WDR Fernsehen, 22.10 Uhr: "Zorn: Vom Lieben und Sterben"
Der Titel war Programm: Es wurde ziemlich viel gestorben; und es regnete ohne Unterlass. Sehenswert war der Auftaktfilm jedoch vor allem wegen des Hauptdarstellers: Mišel Mati?evi? verkörperte Hauptkommissar Claudius Zorn, der seinem Namen zunächst so wenig Ehre machte, als psychisch und auch äußerlich heruntergekommenen Zeitgenossen, dessen Ehrgeiz erst geweckt wird, als er merkt, dass ausgerechnet sein mangelnder Arbeitseifer instrumentalisiert werden soll. Die gute Nachricht damals: Die Reihe ging weiter, die schlechte: ohne Mati?evi?. Seine Figur hat Stephan Luca übernommen, dem man guten Herzens zum gelungenen Rollenwechsel hätte gratulieren können, wenn sein Vorgänger nicht doch von etwas anderem Kaliber gewesen wäre. Luca gehört seit einigen Jahren zu den wohl meistbesetzten Komödiendarstellern (zuletzt unter anderem "Drunter und Brüder"). Aber es braucht etwas mehr als nur einen Vieltagebart, um auch die innere Abgerissenheit zu spielen, die Mati?evi? so großartig verkörpert hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Misst man Luca jedoch an der Rolle, macht er das gut; sehenswert ist er ohnehin, Sympathieträger auch. Außerdem ist die Geschichte (Ludwig hat auch das Drehbuch geschrieben) erneut ungewöhnlich: Als ein Jugendlicher auf besonders perfide Weise umgebracht wird, stehen Zorn und sein Partner Schröder (Axel Ranisch) vor einem Rätsel. Der junge Mann gehörte seit kurzem zu einer Clique, deren Mitglieder, wie sich später zeigt, durch ein grausames Geheimnis miteinander verbunden sind. Kurz drauf wird ein weiterer Junge bei lebendigem Leib verbrannt. Als ein dritter Jugendlicher Zorn nachts um Hilfe bittet, kann er ihn gerade noch davor bewahren, von einem Priester aufgehängt zu werden. Der Kirchenmann wird bei der Rettungssaktion lebensgefährlich verletzt, auf seinem Laptop finden sich Hunderte von kinderpornografischen Videos; drei Jungs und das Mädchen aus der Clique sind jahrelang missbraucht worden. Für Zorns Chefin ist der Fall damit erledigt; für den Kommissar allerdings passt das alles viel zu gut zusammen. Tatsächlich ist die Mordserie noch nicht zu Ende.
Inhaltlich ist "Vom Lieben und Sterben" also ähnlich düster wie der erste Film, optisch allerdings gar nicht; Inszenierung (erneut Mark Schlichter) und Bildgestaltung (diesmal Markus Hausen) sind ohnehin nicht weiter ungewöhnlich. Dafür bereichert Ludwig die Handlung um eine Vielzahl interessanter Details und unerwarteter Handlungswendungen. Reizvoll ist auch die Besetzung der Nebenfiguren: Für eine Schauspielerin wie Alice Dwyer ist die vergleichsweise normale Rolle der Staatsanwältin eher ungewöhnlich; und Altkommissar Peter Sodann hat als Grantler nicht nur einige amüsante Kurzauftritte, sondern auch entscheidenden Anteil am fesselnden Finale. Katrin Bauerfeind ist leider nicht mehr dabei, aber dafür wird die Liebesgeschichte zwischen Zorn und seiner hübschen Nachbarin (Katharina Nesytowa) fortgesetzt. Auch Schröder, von Ranisch über weite Strecken wieder als gutmütiger Trottel verkörpert, bekommt am Ende seinen großen Auftritt. Und weil man Luca bis dahin doch noch als Mati?evi?-Nachfolger akzeptiert hat, ist auch "Vom Lieben und Sterben" eine sehenswerte Reise in finstere menschliche Abgründe.