TV-Tipp: "Herr Lenz reist in den Frühling" (One)

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Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Herr Lenz reist in den Frühling" (One)
29.5., One, 20.15 Uhr: "Herr Lenz reist in den Frühling"
Die erste Zusammenarbeit von Karl-Heinz Käfer (Buch) und Andreas Kleinert (Regie) war gleich ein großer Wurf: Ihr berührendes Alzheimer-Drama "Mein Vater" ist 2003 mit dem International Emmy Award ausgezeichnet worden.

Nach dem Krimi "Nacht ohne Morgen" (2011) erzählen die beiden mit ihrem dritten gemeinsamen Film nun erneut eine Vater-Sohn-Geschichte, und das diesmal sogar gleich doppelt: Holger Lenz (Ulrich Tukur) führt das brave Leben eines Versicherungsangestellten mit Frau, Sohn, Hund und Reihenhaus, das bald abbezahlt ist. Aber der Schein trügt: Sein schwuler 17jähriger Sohn Linus (Simon Jensen) hält ihn für einen homophoben Spießer und stellt ihn regelmäßig in einem Videoblog bloß, seine Frau (Steffi Kühnert) hat ein Verhältnis mit ausgerechnet jenem Kollegen (Max Hopp), der ihm die Beförderung weggeschnappt hat. In dieses Dasein platzt eines Tages die Nachricht vom Tod seines Vaters, der vor vielen Jahren nach Südostasien ausgewandert ist; seither hatte er keinen Kontakt mehr zu Holger, von dem er ohnehin stets enttäuscht war. Immerhin hat er ihm ein Apartment in Pattaya hinterlassen, also fliegt Holger nach Thailand – und in das erste und daher größte Abenteuer seines Lebens.

"Herr Lenz reist in den Frühling" ist ein zwar sympathischer, aber fast zu harmloser Titel für die Tragikomödie. Natürlich zeichnen sich Geschichten dieser Art dadurch aus, dass das Drama stets nur einen Fehltritt entfernt ist, doch Kleinert und Käfer machen keinen Hehl aus der Tristesse ihres Antihelden. Obwohl Ulrich Tukur eigentlich alles spielen kann, ist er fast zu groß für die Rolle dieses Mannes, der sich in seinem Leben so klein macht. Andererseits, der Arbeitstitel "Heldenreise" deutet es an, wächst Holger Lenz im Verlauf seiner Erlebnisse über sich hinaus; insofern ist Tukur dann doch die perfekte Besetzung.

Es sind vor allem Käfers viele wunderbare Einfälle, die dem Film immer wieder wechselnde Tonfälle geben. Einige sind leicht makaber (die Totenasche in einer Waschmittelflasche), andere verblüffend (ein schönes Wesen entpuppt sich erst als "Ladyboy" und später als Holgers Bruderschwester). In Pattaya wird Holger von der Kakophonie des Nachtlebens ebenso überwältigt wie von den offensiven sexuellen Offerten, mit denen er auf Schritt und Trott konfrontiert wird. Auch in der Wohnung erwartet ihn eine unangenehme Überraschung: Der Hausmeister hat das Apartment kurzerhand an ein halbes Dutzend Prostituierte vermietet, die ihn unsanft vor die Tür setzen. Außerdem stellt sich raus, dass sein Vater eine Einheimische geheiratet hat, auf deren Namen das Apartment überschrieben worden ist. Die Frau lebt irgendwo in der thailändischen Provinz, wo Holger ein weiteres erschütterndes Erlebnis hat, aber endlich auch die Möglichkeit erhält, mit sich selbst ins Reine zu kommen; und deshalb später auch mit seinem eigenen Sohn.

Wie jede Heldenreise, so ist also auch diese "Fish out of water"-Komödie in Wirklichkeit eine Reise nach innen. Für die Bebilderung dieses Innenlebens haben Käfer und Kleinert gleichfalls treffende Bilder gefunden. Oft sind es ganz einfache kurze Einstellungen: Als sich Holger am Strand von Pattaya versonnen mit den Füßen im Wasser den Sonnenaufgang anschaut, fällt ihm ein, dass sein Koffer wenige Meter hinter ihm herrenlos im Sand steht; das nächste Bild zeigt ihn mit Koffer in den Wellen. Auf einem der Videos seines Sohnes ist zu sehen, wie er einen Hundehaufen im Nachbargarten entsorgt. Mit der gleichen Liebe zum Detail ist die Musikauswahl gestaltet. Komponist Daniel Dickmeis sorgt mit schönen klagenden Trompetenklängen für den Grundton des Films, aber bei bestimmten Schlüsselszenen greifen Käfer und Kleinert auch auf Lieder zurück. Noch während der Einführung erklingt "Is There Anybody Out There?" (Ist jemand da draußen?) vom Pink-Floyd-Album "The Wall". Der Song hat gleich mehrfachen Bezug zur Handlung, denn Lenz senior, ein überzeugter Kommunist, der einst am Bau des Ostberliner Fernsehturms beteiligt war, hat Deutschland nach dem Mauerfall verlassen; aber die Mauer zwischen Vater und Sohn ist geblieben. Außerdem haben sich Holger und Ilona 1990 beim Pink-Floyd-Konzert kennen gelernt. Auf dem Album führt "Is There Anybody Out There?" zu der viel wichtigeren Frage, die einige Songs später gestellt wird: "Is There Anybody In There?"; und auch in dieser Hinsicht wird Holger in Thailand fündig. Epilog und Schlussbild schließlich sind ein würdiges Ende für diesen schönen und von Holger Feindt zudem vortrefflich fotografierten Film.