Es sind nicht Vertreterinnen aus "allen" Religionen auf dem Podium anwesend, aber doch der drei Buchreligionen. Dazu zwei Moderatorinnen, drei Interviewerinnen, eine Anwältin des Publikums und eine Politikwissenschaftlerin, die den ersten Impulsvortrag hält. Antje Schrupp führt in die Frage ein, was Fundamentalismus eigentlich ist, und sie wird ebenfalls schnell programmatisch: Jeder Mensch hat seine Fundamente, auf denen er steht, und die ihm so wichtig sind, dass er dahinter nicht zurück will. Sich auf diese Fundamente zu besinnen, hat zunächst einmal etwas befreiendes, weil man sich von den Normen und Dogmen frei machen kann, die sich im Laufe der Zeit am Glauben ansammeln. Kritisch wird es in dem Moment, wo jemand im Diskurs mit anderen die eigenen Fundamente nicht als das entgegenbringt, was sie sind – als eigene Fundamente –, sondern als Fakten darstellt. Unerträglich wird Fundamentalismus, wo diese angeblichen Fakten mit Macht oder Gewalt durchgesetzt werden.
Für Antje Schrupp ist ernsthafte Frömmigkeit immer auch am Zweifeln. Darum lautet ihr Aufruf, sich die Frömmigkeit von den religiösen Fundamentalisten zurückzuholen. Dafür muss man direkt mit ihnen streiten, und dies darf nicht auf dem Niveau von Slogans geschehen, zu denen die säkulare Gesellschaft die Auseinandersetzung mit dem religiösen Fundamentalismus herabgestuft hat.
Mit diesem Referat ist der Weg geebnet für drei Erfahrungsberichte von Frauen, die sich in der direkten Auseinandersetzung mit Fundamentalisten ihres Glaubens befinden. Zunächst berichtet Rozana Isa aus Malaysia von ihrer Organisation "Sisters in Islam", die Frauen in Familienangelegenheiten hilft. Dazu legen sie die Scharia aus, das islamische Recht. Man kann den Koran so auslegen, dass Männer Ihre Frauen nicht schlagen dürfen. Solche Auslegungen müssen nur gemacht werden, und Sisters in Islam macht es. Die Rabbinerin Natalia Verzhbovska betet mit Kippa und Schal an der Klagemauer in Jerusalem und sorgt für Beratungsmöglichkeiten für Frauen ultraorthodoxer Juden. Wenn man sie fragt, ob denn eine Frau Rabbinerin werden könne, sagt sie: "Nun ja, ich stehe hier." Das ist die Strategie, die sich durch die Fallbeispiele hindurchzieht: Gegen den Fundamentalismus hilft nur, dessen Vertretern zu zeigen, dass es eben doch anders geht, es immer und immer wieder deutlich zu machen und zu tun.
Das wird auch im Beitrag von Kerstin Söderblom deutlich, der Pfarrerin, die sich immer wieder christlichem Fundamentalismus stellt. Der "Lackmustest" für christlichen Fundamentalismus ist laut Söderblom die Weise, wie Christinnen oder Christen mit nichtnormativer Sexualität umgehen. Wer als Christin mit einer anderen Frau zusammenlebt, wird mit Sicherheit immer wieder auf fundamentalistische Einwände stoßen. "Da muss man Gesicht zeigen", sagt Kerstin Söderblom. Das bedeutet ein hohes Maß an Beharrlichkeit und auch, diejenigen direkt anzusehen, denen man sich selbst zeigt. So kann der Mensch hinter der Ideologie sichtbar werden – auch in seinen Verletzungen und Ängsten.
Die direkte Auseinandersetzung mit Fundamentalisten ist für die liberale Rabbinerin Natalia Verzhbovska kaum möglich, und Rozana Isa betont, dass der Fundamentalismus in ihrem Land die Regierung stellt. Dennoch sind sich alle Beteiligten einig, dass "Gesicht zeigen" der richtige Weg ist, dem Fundamentalismus zu begegnen. Es muss deutlich werden, dass andere Auslegungen möglich sind. Allein immer wieder zu zeigen, dass man in ernster Frömmigkeit auch anders denken kann, ist eine gute Strategie gegen den Fundamentalismus. Die "Vereinigung der Feminst*innen aller Religionen" macht auch noch dies deutlich: Wer sich regelmäßig mit anderen Religionen auseinander- und zusammensetzt, wir dem eigenen Fundamentalismus besser wehren können, der in jedem Menschen lauert. Eine Veranstaltung auf dem Kirchentag, die Mut gemacht hat!