Dass Männer eine Geliebte haben, soll vorkommen. Manche führen gar ein Doppelleben und haben eine zweite Familie. Thomas Jacobi (Martin Feifel), Hauptfigur dieser "Tatort"-Episode aus München mit dem treffenden Titel "Die Liebe, ein seltsames Spiel", hat sein Herz jedoch nicht bloß mehrfach, sondern vielfach vergeben. Am Ende sind es eine ganze Handvoll Frauen, mit denen er zum Teil schon viele Jahre lang zur gleichen Zeit Beziehungen hat. Jacobi ist vielbeschäftigter Architekt, und weil der Film kein Drama, sondern ein Krimi ist, braucht sich Autorin Katrin Bühlig nicht weiter mit dem Zeitmanagement des vielgeliebten Mannes aufhalten. Andeutungen müssen genügen. Eine der Frauen ist zum Beispiel überzeugt, er müsse sich um einen behinderten Sohn kümmern; dabei mag Jacobi gar keine Kinder. Deshalb glauben die Kommissare Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec) auch zu wissen, warum Jacobi (Martin Feifel) eine seiner Freundinnen ermordet hat: Sie war schwanger. Aber natürlich ist der Fall viel komplizierter.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Die Liebe, ein seltsames Spiel" ist zwar keine ausgesprochene Komödie, aber Rainer Kaufmann hat das Drehbuch mit viel Sinn für Humor umgesetzt, weshalb der Film auch wie ein Kontrastprogramm zur kürzlich ausgestrahlten Münchener Episode "Der Tod ist unser ganzes Leben" wirkt. Das beginnt schon mit den ersten Szenen: Zum verspielten Vorspann wird Jacobi als Traummann eingeführt, dann folgt der Umzug des jungen Kommissarskollegen Kalli (Ferdinand Hofer) mit ein bisschen Slapstick. Im Gegensatz zu Leitmayr ist Batic verhindert: Er hat ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau, was dem Krimi einen ungewohnt erotischen Auftakt beschert. Dass Batics Liebelei die vielen Verhältnisse des Architekten spiegelt, ist ein amüsantes Indiz am Rande. Während sich Leitmayr empören darf, wäre moralische Entrüstung aus dem Mund des Kollegen höchst unglaubwürdig.
Ernstzunehmender Krimi mit Augenzwinkern
Da ein Mord nicht genügt, um aus diesem Krimi eine besondere Geschichte zu machen, gibt es alsbald einen zweiten: Eine Ärztin (Juliane Köhler), die Jacobi als ihren Mann betrachtet, wird erschlagen. Natürlich konstruieren die Kommissare umgehend ein Szenario, das auch diesen Mord erklären würde: Die Frau hat von der anderen Beziehung erfahren, es kam zum Streit und schließlich zur Tat. Weil Bühlig und Kaufmann aber auch dauernd eine Frau durchs Bild schleichen lassen, die beobachtet, was Jacobi so alles treibt (und vor allem mit wem), drängt sich natürlich eine ganz andere Hypothese auf, erst recht, als klar wird, dass auch diese Nicole (Hanna Scheibe) zu Jacobis Herzensdamen gehört: Die eifersüchtige Frau ermordet die Geliebten des Geliebten. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit.
Es ist ein großer Spaß, wie Bühlig zur Verblüffung der Kommissare immer wieder neue Beziehungen aus Jacobis Hut zaubert, aber das allein würde "Die Liebe, ein seltsames Spiel" nur zu einem originellen, nicht jedoch zwingend auch zu einem überdurchschnittlich guten "Tatort" machen. Es ist nicht zuletzt die souveräne Kombination der verschiedenen Tonarten, die Kaufmanns Inszenierung auszeichnet: Einerseits scheint er seinem Publikum immer wieder zuzuzwinkern, andererseits ist der "Tatort" ein ernstzunehmender Krimi. Jacobi zum Beispiel wird nie zur Karikatur. Im Grunde ist der Architekt mit seinen vielen Baustellen eine typische Komödienrolle, schließlich sind die meisten Männer schon mit einer Frau überfordert, aber dank Martin Feifels seriöser Verkörperung nimmt die Figur sogar tragische Züge an. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder witzige Dialoge und heitere Momente; unter anderem will Kalli den derzeit unbeweibten Leitmayr mit seiner Mutter verkuppeln. Wunderbar sind auch die kleinen Auftritte von Robert Joseph Bartl als unleidlicher Rechtsmediziner. Dass schließlich auch noch der Münchener Wohnungsmarkt entscheidend mit der Auflösung zusammenhängt, ist zwar etwas unglaubwürdig, sorgt aber immerhin für ein verblüffendes Ende.