TV-Tipp: "Goster" (ARD)

TV-Tipp
TV-Tipp: "Goster" (ARD)
16.5., ARD, 23.00 Uhr: "Goster"
Es kommt äußerst selten vor, dass die ARD einen eigenproduzierten Fernsehfilm nicht um 20.15 Uhr ausstrahlt. In Ausnahmefällen mag dies aus Rücksicht auf den Jugendschutz erfolgen, doch in der Regel hat die Verschiebung auf den späten Abend einen anderen Hintergrund: weil die ARD-Fernsehfilmkoordination der Meinung ist, ein Film könne aufgrund seines Inhalts oder seiner Machart das Publikum verstören. Beim WDR-Drama "Über Barbarossaplatz" vor einigen Wochen war die Entscheidung nachvollziehbar, bei "Goster" ist sie bedauerlich.

Der Krimi stammt vom Hessischen Rundfunk, dessen Filme gern mal eigenwillig sind. Mitunter schießt der HR dabei übers Ziel hinaus, aber immerhin traut sich der Sender was. Nach der gleichnamigen Novelle von Gerhard Zahner erzählen Markus Busch (Buch) und Didi Danquart (Buch und Regie) eine Geschichte, die die Redensart "Nicht Waffen töten Menschen, sondern Menschen töten Menschen" konterkariert: In und um Frankfurt scheinen Pistolen und Gewehre plötzlich von allein loszugehen. Hauptkommissar Goster (Bruno Cathomas) wird mit dem Phänomen konfrontiert, als er zum Schauplatz eines vermeintlichen Selbstmords gerufen wird: Ein offenbar aus einem Fenster gestürzter nackter Mann liegt tot im Vorgarten. Als sich Goster und ein uniformierter Polizist einer Wohnungstür nähern, fällt ein Schuss; der Kollege stirbt, der Kommissar erleidet einen Herzinfarkt. Kurz drauf stellt sich raus, dass die Wohnung bis auf eine Pistole leer ist; die Polizei steht vor einem Rätsel. Aber dann kommt es vermehrt zu ähnlich  mysteriösen Vorfällen, die nur einen Schluss zulassen: Waffen machen sich selbstständig.

Neben der ungewöhnlichen Handlung liegt der Reiz des Krimis vor allem in seiner Machart: Immer wieder durchsetzt Danquart den Film durch grafische Elemente, die der Berliner Comic-Künstler FuFu Frauenwahl gestaltet hat. Anders als in vergleichbaren Hollywood-Produktionen wie "Sin City" oder "Dick Tracy" werden die Bilder jedoch nicht verfremdet, sondern ergänzt. Gelegentlich dienen die Einschübe auch der spielerischen Auflockerung, wenn Goster gleich zu Beginn ein Loch in den Mond schießt, aber meist illustrieren die Bilder Rückblenden oder Erzählungen. Gerade die Rechercheergebnisse von Gosters junger Kollegin (Julia Riedler) bekommen auf diese Weise Gewicht: Sie hat rausgefunden, dass der Tote im Garten Teil eines Pärchens war, dass "break-in-sex" be- und getrieben hat. Menschen verabreden sich zum Einbruch in fremde Wohnungen, fotografieren sich beim Sex und stellen die Bilder auf einer Website zur Schau. Die entsprechenden Zeichnungen sind zwar recht freizügig, aber sicher kein Grund für die späte Sendezeit. Auch die Berichte über die weiteren Morde ohne Täter werden auf diese Weise optisch umgesetzt.

Der spürbare Wille, einen mindestens ungewöhnlichen Film herzustellen, zeigt sich auch bei der Auswahl der Schauspieler; Titeldarsteller Cathomas ist schon als neuer Chef im "Tatort" aus Frankfurt aus dem Rahmen gefallen. Dass sein Kommissar ein spezieller Typ ist, deutet nicht zuletzt sein Name an, der nicht mit kurzem O ausgesprochen wird, sondern so ähnlich wie "Ghost", das englische Wort für Geist. Der alleinstehende Ermittler erinnert ohnehin eher an amerikanische Privatdetektive; dafür sorgt nicht nur die Kameraarbeit mit ihren Reminiszenzen an entsprechende Hollywood-Filme, sondern auch ein Hinweis auf John Hustons Klassiker "The Maltese Falcon" ("Die Spur des Falken"). Selbstredend taucht irgendwann eine geheimnisvolle norwegische Blondine (Lise Risom Olsen) auf, die Goster nicht mehr aus dem Kopf geht.

Leider hält der Film die Spannung der flott erzählten ersten Hälfte nicht durch; spätestens im letzten Drittel geht der Geschichte die Kraft aus, und der Schluss ist etwas enttäuschend, zumal das Phänomen der zu einem Eigenleben erwachten Schusswaffen nicht aufgeklärt wird. Gewöhnungsbedürftig sind auch die Leistungen einiger Mitwirkenden. Cathomas legt es sichtlich nicht auf einen gefälligen Auftritt an, Riedler spricht ihre Sätze in einem seltsamen Tonfall, als wäre deutsch nicht ihre Muttersprache, und Theaterschauspieler Mirco Kreibich, Darsteller von Gosters Chef, hätte von Danquart dringend in seinem Eifer gebremst werden müssen. Ästhetisch bleibt "Goster" allerdings bis zum Ende enorm reizvoll. Als visuelles Experiment ist der Film ohnehin sehenswert, weil Kameramann Johann Feindt mit Licht- und Farbinseln über die grafischen Einschübe hinaus weitere Akzente setzt. Er greift die Bild-im-Bild-Methode der Comics auch in den realen Aufnahmen auf und kann auf diese Weise statt eines Schnitts oder eines Zooms in einem Extrabild zeigen, wie Gosters junge Kollegin mit dem neuen Verlobungsring an ihrem Finger spielt. Witzig ist auch die Idee, jedem Verdacht der Produktplatzierung Vorschub zu leisten: Auf dem Rotweinetikett steht "Rotwein", auf der Cola-Flasche "Kola", und die Tankstelle heißt "Tankstelle".