Liebe Fastengemeinde,
die sieben Wochen ohne Sofort gehen zu Ende. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie manche Gelegenheit nutzen konnten, ohne „Sofort“ auszukommen. Die letzten Tage bis Ostern werden vermutlich deutlich anders verlaufen als die Wochen zuvor. Die Feiertage bringen einerseits mehr freie Zeit, andererseits mehr Arbeit. Familien sehen einander wieder, Besonderes wird gekocht. Wenn das Wetter mitspielt, macht man Ausflüge oder geht spazieren. Feiertage sind besondere Tage. Mit Ostersonntag endet die Fastenzeit, und es beginnt die Osterzeit. Aus leiser Besinnlichkeit wird laute und bunte Lebensfreude. Der Tod wird überwunden, das Fasten wird gebrochen.
Ich freue mich sehr auf das Osterfest, und dennoch werde ich ein wenig melancholisch, wenn ich an die vielen schönen Erkenntnisse denke, die mir die Fastenzeit beschert hat. Vielleicht haben Sie ja auch einmal sehr breit gelächelt, weil Sie es geschafft haben, jemand anderem fröhlich den Vortritt zu lassen. Oder Sie waren stolz auch sich, weil Sie eine spitze Bemerkung für sich behalten haben. Vielleicht haben Sie sich bei Entscheidungen mehr Zeit gelassen als sonst oder eine alte Freundschaft wiederbelebt. Da wäre es doch schade, wenn am Ostermorgen alles weitergehen würde, als wäre nichts gewesen.
Die biblische Geschichte für unsere letzte gemeinsame Fastenwoche erzählt von Gott, der sich viel Zeit nimmt, auf das zu blicken, was er geschaffen hat. Einen ganzen Tag lang tut er nichts, als stolz und zufrieden seine Schöpfung zu betrachten. Gott segnet diesen Tag und heiligt ihn, das heißt, er hebt ihn heraus aus den normalen Tagen und macht ihn zu seinem Eigentum. Alles ist nun da, sagt die Bibel. Die Welt ist geschaffen, die Geschichte kann beginnen. Aber Gott lässt sie eben noch nicht beginnen. Vielmehr ruht Gott und schaut. Es ist, als würde Gott auf diese Weise alles, was er geschaffen hat, noch einmal würdigen. Gott hat die Welt nicht wie an einem Fließband geschaffen, bei dem das fertige Produkt möglichst schnell verladen und versandt wird.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie im Wechsel von Fasten- zu Osterzeit etwas von dem empfinden können, was Gott vielleicht beim Anblick seiner Schöpfung gefühlt hat. Notieren Sie sich am besten schon heute eine gewisse Zeit am Karsamstag oder am Ostersonntag, in der Sie sich vornehmen zu schauen, was Sie in den „sieben Wochen ohne Sofort“ geschaffen oder geschafft haben. Schauen Sie freundlich, und erlauben Sie sich, stolz zu sein. Sie sind mit der Zeit, die Gott Ihnen schenkt, verantwortungsvoll und gut umgegangen. Wenn Sie sich besonnen haben, auf Gott, auf sich selbst und auf Ihre Nächsten, haben Sie die Zeit „geheiligt“.
Darum: Würdigen Sie Ihre kleinen Erfolge und auch Ihre Anstrengungen! So können Sie etwas mitnehmen aus dieser Zeit. „Nicht sofort weitermachen!“ könnte das Motto des Endes dieser Fastenzeit auch lauten. Lassen Sie sich also auch Zeit, bevor Sie wieder in den Alltag zurückkehren. Bleiben Sie bewusst bei dem, was Sie tun, und überlegen Sie konkret, was Sie behalten möchten aus dieser Zeit. Ich selbst habe mir eben notiert, dass ich Sie im nächsten Jahr in der ersten neuen Fasten-E-Mail fragen werde, ob Sie noch etwas aus diesem Jahr bewahrt haben.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit – bis Ostern und weit darüber hinaus. Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir Ihre Gedanken zur den diesjährigen Briefen an frank.muchlinsky@evangelisch.de.
Gott segne uns und schenke uns Frieden.
Ihr Frank Muchlinsky