Schon beim im Januar ausgestrahlten letzten Film, „Clüver und die wilde Nacht“, verliebte der Polizist sich in eine Syrerin, die zumindest vorübergehend mordverdächtig war. Für Bernadette Kipling (Annette Frier) gilt das erst recht, auch wenn der Arbeitstitel, „Kein Mord ohne Leiche“, das Malheur der Ermittler verdeutlicht: Die Putzfrau der Kiplings hat im Gartenteich den leblosen Körper des Hausherrn gefunden, aber als Clüver und sein Team (Oliver Wnuk, Julia Brendler) dort eintreffen, ist der Leichnam weg; und die Putzfrau auch. Für zusätzliche Komplikationen sorgt die Tatsache, dass Robert Kipling eigentlich längst tot ist.
Die ZDF-Reihe „Nord Nord Mord“ erzählt Krimis mit einem Augenzwinkern, und mitunter, wie bei „Clüver und die wilde Nacht“, sind die Filme vor allem Komödie. Die letzte Episode stammte vom Autorenduo Stefan Cantz und Jan Hinter, dem der „Tatort“ aus Münster zu großen Teilen seinen Ruf als Schmunzelkrimi verdankt. Auch Walendy und Regisseur Christian Theede sorgen für einige Heiterkeit, ohne jedoch die Qualität des letzten Beitrags zu erreichen. Dabei scheint Theede geradezu prädestiniert für die Kombination aus Spannung und Entspannung, schließlich erstreckt sich das Spektrum seiner Filmografie vom Horrorfilm „Gonger - Das Böse vergisst nie“ (2008) über den Mulitmedia-Mysterythriller „Kill Your Darling“ (2009) und verschiedene ARD-Märchenfilme bis hin zum Musical „Im weißen Rössl“.
Hier jedoch gelingt die schlüssige Kombination aus Krimi und Komödie nur bedingt; im Grunde beschränkt sich die heitere Ebene auf die allerdings sehr witzigen Soli von Oliver Wnuk, der neben einigen Slapstickeinlagen seinen schönsten Auftritt an der Supermarktkasse hat, als er eine XXL-Schachtel Kondome kaufen will und etwas von einer Antarktisexpedition an den Nordpol stammelt. Einen Ausflug machen Hinnerk Feldmann und Ina Behrendsen (Wnuk und Brendler) tatsächlich, allerdings nur nach Dänemark, denn vor der Küste der Insel Römö ist Robert Kipling ein halbes Jahr zuvor mit seiner Segelyacht gekentert und ertrunken; Teile des Wracks sind gefunden worden, die Leiche nicht. Nun sollen Clüvers junge Gehilfen auf Römö weitere Nachforschungen anstellen, und da es ja schon lange zwischen den beiden knistert, sieht Feldmann seine Chance gekommen; selbstredend sorgt Walendy dafür, dass die erotische Spannung noch weiter köcheln kann. Die Krimiebene wiederum lebt vor allem von der Frage, was damals wirklich mit Kipling passiert ist: Hat Gattin Bernadette ihren Mann ermordet und dann den Segelunfall vorgetäuscht? Und wo ist die verschwundene Leiche? Der Fall scheint völlig festgefahren zu sein, aber dann kommt unerwartet Bewegung in die Geschichte, als die Hamburger Besitzer des Nachbarhauses der Kiplings auftauchen und ein überraschendes Geständnis ablegen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Krimifans wissen natürlich, dass Clüver überhaupt nicht ermitteln dürfte, weil es ihm die fremde Frau vom Strand ziemlich angetan hat, aber als Feldmann und Behrendsen dem Mörder schließlich eine Falle stellen, hält er sich in der Tat raus. Darüber hinaus ist es nicht uninteressant, wie Walendy die Geschichte um eine Dramenebene ergänzt, denn es gibt keine einzige funktionierende Beziehung in diesem Film: Clüvers Frau bittet um die Scheidung, die Kiplings haben sich bis zum Verschwinden Roberts ständig gestritten, um die Ehe von Bernadettes Bruder und seiner Frau (Peter Lohmeyer, Jule Ronstedt) steht es ebenfalls nicht gut, und auch das Ehepaar (Martin Lindow, Nicola Thomas), für das die Putzfrau tätig war, hat sich längst auseinandergelebt.
Trotzdem ist die Geschichte nicht weiter ungewöhnlich, zumal Walendy zulässt, dass die Ermittler einige kleine Fehler machen, die erfahrenen Couchkommissaren nicht passieren würden; so dämmert dem Team zum Beispiel viel zu spät, dass das beste Versteck ein Ort ist, der bereits abgesucht wurde. Sehenswert ist dagegen die Bildgestaltung. Kameramann Moritz Anton („Fritz Lang“) ist ein ausgewiesener Lichtspezialist und hat gemeinsam mit Theede auch bei seinem vierten Clüver-Krimi dafür gesorgt, dass Sylt in den vielen kühlen Zwielichtszenen oder aus Sicht der Drohnenkamera, die durch die Dämmerung gleitet, sehr geheimnisvoll aussieht. Auf diese Weise und auch dank eines leitmotivischen Songs von Marianne Faithful („Trouble in Mind“) entsteht eine melancholische Stimmung, die ausgezeichnet zur Gefühlslage des verhinderten Liebespaars Clüver und Bernadette passt. Gerade deshalb wirken die komödiantischen Momente jedoch bei allem Amüsement mitunter wie Fremdkörper, selbst wenn Wnuks kleine Gags großen Spaß machen.