Bei den Filmen, die Sat.1 der Presse vorab zur Verfügung stellt, handelt es sich in der Regel um Arbeitsfassungen, die sich im Prozess der Postproduktion befinden. Bild und Ton müssen noch bearbeitet werden, einige Dialogsätze gibt es bloß als Untertitel, und anstelle der endgültigen Filmmusik erklingen Popsongs oder musikalische Zitate. Der Hinweis "VFX" ist das Versprechen, dass in der fertigen Version an der entsprechenden Stelle ein hoffentlich eindrucksvoller visueller Effekt zu sehen sein wird, der aber erst noch digital ins Bild eingearbeitet werden muss. Manchmal stellt sich in solchen Fällen allerdings die Frage, ob der Eindruck des Unfertigen wirklich der 1b-Version geschuldet ist oder nicht doch der Tatsache, dass die Idee einer Geschichte besser ist als ihre Ausführung. Bei "Leg dich nicht mit Klara an" kommt hinzu, dass es sich um ein Langfilmdebüt handelt; das muss bei einer Bewertung natürlich berücksichtigt werden.
Markus Staender erzählt in seinem ersten verfilmten Drehbuch für einen Neunzigminüter die Geschichte der BND-Agentin Klara (Jennifer Ulrich), die nur dann völlig vertrauen kann, wenn sie die totale Kontrolle hat. Kein Wunder, dass ihr Freund Jens (Marc Benjamin) irgendwann Schluss macht. Fortan zieht sie alle Register des Überwachungsstaats, beobachtet ihren Ex-Freund auf Schritt und Tritt und sorgt durch geschickte Manipulationen dafür, dass sich seine neue Beziehung zu Bouthique-Besitzerin Susie (Janina Uhse) gar nicht erst entfalten kann. Bei all ihrer Fixierung auf Jens übersieht sie, dass die wahre Liebe am Schreibtisch neben ihr sitzt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Idee, eine romantische Komödie im Geheimdienstmilieu anzusiedeln, ist ohne Frage originell. Das Bedürfnis, den Partner derart zu durchleuchten, dass selbst seine Gedanken kein Geheimnis mehr sind, dürfte zudem verbreiteter sein, als die meisten zugeben würden; im Unterschied zu ihren Mitmenschen verfügt Klara über die nötigen Instrumente, um diesen Wunsch wahr werden zu lassen. Der an Fritz Langs "Dr. Mabuse"-Filme erinnernde Ansatz beschert dem Film eine fast schon medienpädagogische Ebene, weil die Bilder verdeutlichen, dass man dank Smartphone, Laptop und Fernseher permanent überwacht werden kann. Als auch Jens das schließlich rausfindet, zerstört er auch seinen Toaster; man kann ja nie wissen.
Ein Vergleich zu Hollywoodproduktionen im Stil von "Der Staatsfeind Nr. 1" verbietet sich schon allein aufgrund der Budgetunterschiede, selbst wenn Tony Scotts Paranoia-Thriller bereits über zwanzig Jahre alt ist und digitale Effekte heutzutage weitaus preisgünstiger sind. Trotzdem kommt die Überwachungsebene optisch, aber auch emotional in Mia Spenglers Umsetzung etwas zu kurz. Natürlich ist "Leg dich nicht mit Klara an" kein Thriller, aber da die Geschichte konsequent aus Klaras Perspektive erzählt wird, vermittelt sich Jens’ Gefühl, in die Enge getrieben zu werden, viel zu wenig. Stattdessen setzt die Regie auf Albernheiten: Als ihr Ex eine Verabredung in einem teuren Restaurant hat, überredet Klara ihren Kollegen Mickey (Edin Hasanovic), sie zu begleiten und so zu tun, als sei er ihr neuer Freund, damit Jens eifersüchtig wird. Aus der Szene hätte ein schönes Spiel mit Schein und Sein werden können, denn Klara hat keine Ahnung, dass Mickey schon lange in sie verliebt ist, aber Hasanovic und Ulrich übertreiben es mit ihrer Scharade.
Etwas verunglückt ist auch eine an sich ähnlich reizvolle weitere Ebene: Der Chef einer anderen Abteilung lässt Klara nach einem vermeintlichen Maulwurf suchen und vertraut ihr eine streng geheime Software an, die sich jedoch als wahre Datenkrake entpuppt. Dass dieser Abteilungsleiter, der sich John Smith nennt, Dreck am Stecken hat, ist allerdings keine Überraschung; offenbar schwebte Tim Wilde eine Agentenparodie vor, was zur Folge hat, dass sich Smith von Anfang an verdächtig macht. Ungleich gelungener ist die Arbeitsatmosphäre. Die Ausstattung der düsteren Räume ist sehr spartanisch; ungewöhnlich ist allein ein metallischer Raumtrenner, der das kühle Klima zusätzlich betont. Angesichts der Sterilität des Arbeitsplatzes und dem Hintergrund der Überwachungstätigkeit ist das Miteinander der Kollegen umso interessanter; gerade Klara und ihre Freundin Myriam (Milena Dreißig) benehmen sich wie ganz gewöhnliche Büroangestellte, in deren Gesprächen es nicht etwa um raffinierte Algorithmen, sondern allein um Klaras Beziehungsstatus geht.
Stimmung und Tonfall des Films erinnern an die insgesamt jedoch deutlich gelungenere und ungleich temporeichere Komödie "Undercover küsst man nicht" (2016). Mit Ausnahme von Wildes Übertreibungen und Momenten wie der Restaurantszene sind es neben der Grundidee daher vor allem die darstellerischen Leistungen, die "Leg dich nicht mit Klara" bei allen Einwänden dennoch sehenswert machen. Jennifer Ulrich schafft es, dass die Titelheldin trotz ihrer Kontrollneurose selbst dann noch sympathisch bleibt, als sie Jens das Leben wirklich schwer macht und ihm sogar das SEK auf den Hals hetzt. Edin Hasanovic deutet mit kleinen Gesten an, dass Mickey viel mehr als bloß ein guter Kumpel sein möchte. Sehr hübsch gespielt ist zum Beispiel der anfangs noch befremdliche, mit zunehmender Wiederholung aber immer witzigere Running Gag zwischen Mickey und Klara, der damit endet, dass die eine dem anderen auf den Bizeps boxt (oder umgekehrt). Der enorm begabte Marc Benjamin hat leider bei weitem nicht genug zu tun, um sein ganzes Potenzial abrufen zu können, aber dafür genügen Janina Uhse wenige Szenen, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Markenbotschafterin einer französischen Kosmetiklinie gehört seit 2008 zum festen Ensemble von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und empfiehlt sich als Jens’ attraktive Freundin dringend für höhere Aufgaben.