TV-Tipp: "Steirerblut" (ARD)
11.3., ARD, 20.15 Uhr: "Steirerblut"
Ein Autounfall, der keiner war, führt zum Heimspiel für Ermittlerin Sandra Mohr. Von "Heimvorteil" kann allerdings keine Rede sein. "Steirerblut" ist im Rahmen einer ORF-Reihe entstanden und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Claudia Rossacher.
Es gibt eine Vielzahl sehenswerter Koproduktionen von ARD und ZDF mit dem österreichischen ORF. "Steirerblut" aber ist ein sogenannter Lizenzkauf, der bereits 2013 gedrehte Krimi ist im Rahmen einer reinen ORF-Reihe entstanden. Bei der Produktion musste daher keinerlei Rücksicht darauf genommen werden, dass die handelnden Personen auch in Norddeutschland zu verstehen sein müssen. Das hatte offenbar zur Folge, dass einige Dialoge synchronisiert werden mussten, und das klingt stellenweise fast schon dilettantisch. Ohnehin hat der nach dem gleichnamigen Roman von Claudia Rossacher entstandene Film längst nicht so viel Biss wie viele andere Arbeiten von Regisseur Wolfgang Murnberger, der auch hierzulande dank Komödien wie "Die Spätzünder" einen ausgezeichneten Ruf genießt. Dass "Steirerblut" trotzdem sehenswert ist, liegt an den beiden Hauptfiguren, von denen die ARD-Tochter Degeto derart angetan war, dass sie bei der Fortsetzung ("Steirerkind") als Koproduzent fungierte.
Miriam Stein, die zuletzt unter anderem als weibliche Hauptdarstellerin in dem ZDF-Zweiteiler "Gotthard" überzeugte, und Hary Prinz spielen Sandra Mohr und Sascha Bergmann. Beide arbeiten fürs Landeskriminalamt Graz, er ist der Chef, sie seine junge Mitarbeiterin. Als sich ein vermeintlicher Autounfall in der Obersteiermark als Mord entpuppt, nimmt Bergmann die junge Kollege mit: Die Ermittlungen sind ein "Heimspiel" für sie. Das Opfer ist eine Journalistin, die den Mauscheleien und Schiebereien von Bürgermeister Leitgeb (August Schmölzer) auf der Spur war. Was zunächst nach dem üblichen Regionalkrimi klingt, bekommt seinen eigentlichen Reiz erst durch die persönliche Betroffenheit der jungen Polizistin: Sandra kennt sämtliche Beteiligten und hatte gehofft, durch ihre Flucht nach Graz habe sie die Enge der Provinz ein für alle mal hinter sich gelassen. Von Heimvorteil kann keinerlei Rede sein, denn im Dorf trifft sie nicht nur auf ihren Ex-Freund (Thomas Stipsits), der es als Neffe des Bürgermeisters zum Leiter des örtlichen Polizeireviers gebracht hat, seinem Onkel stets zu Diensten ist und sie prompt wieder rumkriegen will, sondern auch auf ihre Familie: Seit sie für den Gefängnisaufenthalt ihres Halbbruders Mike (Robert Stadlober) verantwortlich war, weil der seine Freundin verprügelt hat, gibt es kaum noch Kontakt zur Mutter, die aus ihrer Feindseligkeit keinen Hehl macht. Man muss schon zweimal hinschauen, um hinter den verbitterten Zügen der verhärmten Frau Aglaia Szyszkowitz zu erkennen. Zwar führen sämtliche Spuren immer wieder zu Leitgeb, aber auch Mike gerät in Verdacht: Die Journalistin war eine attraktive Frau und galt im Dorf als "gesellig und zugänglich", was nichts anderes heißt, als dass sie den Kerlen den Kopf verdreht hat; gut möglich, dass einer nicht gekriegt hat, was er wollte, und sich dafür gerächt hat.
Dennoch ist die Geschichte nicht sonderlich ungewöhnlich. Gleiches gilt für die Umsetzung. Handwerk, Raffinesse, Spannung und optischer Aufwand können sich bei weitem nicht mit guten deutschen Fernsehkrimis messen; da sind Degeto-Donnerstagskrimis wie "Kommissar Dupin" oder demnächst "Kommissar Pascha" von ganz anderem Kaliber. Aber das Protagonistenpaar ist in der Tat interessant, zumal Prinz seinen abgebrühten Inspektor gerade auch im Umgang mit seiner jungen Kollegin viel herbem Schmäh versieht.
Autor:in
Tilmann P. Gangloff
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).