Der Wille zur Versöhnung

Foto: epd/Jens Schulze
Der Wille zur Versöhnung
Ökumenischer Gottesdienst zum Reformationsjahr
Für ihren Versöhnungsgottesdienst haben Protestanten und Katholiken eine bildhafte Szene gewählt: Ein 2,40 Meter hohes dreidimensionales Kreuz, das zunächst den Zugang zum Altar versperrt, wird aufgerichtet - und gibt den Weg frei.

Die Darstellung, wie aus einem Sperrsymbol ein Zeichen der Versöhnung wird, illustriert die Botschaft des zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes im Festjahr zu 500 Jahren Reformation, der am 11. März in der Michaeliskirche in Hildesheim gefeiert wird: "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen". Und das an einem symbolträchtigen Ort: in der zweitältesten Simultankirche Deutschlands, die Protestanten und Katholiken bereits seit 1542 gemeinsam nutzen.

Dieser Wille zur Versöhnung wäre früher unvorstellbar gewesen. Vor 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Mit seiner Kritik löste er die weltweite Reformation aus, die nicht nur zur Spaltung der Kirche führte, sondern auch teils äußert blutige Kriege nach sich zog. Die folgenden Reformationsjubiläen nutzten Protestanten und Katholiken zu gegenseitigen Verurteilungen.

"Ein fast revolutionäres Ereignis"

Doch nun wollen sie daran erinnern, was sie sich im Laufe der Jahrhunderte angetan haben, ihre Schuld bekennen, um Vergebung bitten, für die heutige Verbundenheit danken und sich "im Angesicht Gottes auf die weitere Vertiefung unseres Miteinanders verpflichten", heißt es im "Gemeinsamen Wort zum Jahr 2017", das auch die Liturgie des Gottesdienstes in Hildesheim enthält - mit der Aufforderung an katholische und evangelische Nachbargemeinden zum Nachmachen.

Unterschrieben und im September 2016 vorgestellt haben das Papier der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. "Ein fast revolutionäres Ereignis", nannte Marx das. Sie stellten die ökumenische Verbundenheit heraus, erklärten aber auch, dass "um das rechte Verständnis der Wahrheit des Evangeliums" weiter gerungen werden müsse.

Jesus Christus als Grund allen Glaubens

Die beiden obersten deutschen christlichen Repräsentanten aus München, die gut miteinander können, leiten den Buß- und Versöhnungsgottesdienst im Wechsel. Im Sommer 2015 hatten sich Bedford-Strohm und Marx darauf geeinigt, dass sie mit der Bezeichnung "Christusfest" für die Reformationsfeiern an die gemeinsame Wurzel - Jesus Christus als Grund allen Glaubens - erinnern wollen. Es folgten unter der Überschrift "Healing of Memories" (Heilung der Erinnerungen) das "Gemeinsame Wort", eine ökumenische Pilgerreise in Israel und nun der Versöhnungsgottesdienst.

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An diesem ökumenischen Schwerpunkt gibt es auch Kritik. So beklagt der Wiener evangelische Theologieprofessor Ulrich Körtner, dem Ökumene-Ziel werde alles andere untergeordnet: "Die theologische Beschäftigung mit dem Erbe der Reformation und ihren bleibenden Impulsen bleibt an der Oberfläche haften", schrieb er auf "evangelisch.de". Dies markiere einen "theologischen Tiefpunkt". Er erinnerte an den EKD-Grundlagentext zum Reformationsjubiläum "Rechtfertigung und Freiheit" von 2014, der von der römisch-katholischen Kirche kritisiert worden war. "Das Projekt 'Healing of Memories' verfolgt offenkundig das Ziel, den ungeliebten Text 'Rechtfertigung und Freiheit' vergessen zu machen", so Körtner.

Kein gemeinsames Abendmahl

Doch trotz aller Gemeinsamkeiten wird auch in Hildesheim eine Trennung deutlich werden, die viele Menschen nicht verstehen: Es gibt kein gemeinsames Abendmahl. "Noch immer haben wir keinen Weg gefunden, im eucharistischen Abendmahl unsere Gemeinschaft mit Jesus und untereinander zu feiern", wird Marx laut Liturgie-Text sagen. In dem Ökumenetext wird das Ziel ausgegeben, "auf dem ökumenischen Weg geduldig und zielstrebig weiterzugehen, damit die Einheit unter uns weiter wächst und Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft möglich wird". Eine schnelle Lösung werde es aber "aller Voraussicht nach nicht geben".

Mit dem Anliegen, das Reformationsjubiläum als ökumenische Chance zu sehen, haben die Deutschen, zumindest was die Lutheraner betrifft, ein internationales Vorbild. Am 31. Oktober 2016 machten der Lutherische Weltbund und Papst Franziskus mit einem gemeinsamen Gottesdienst im schwedischen Lund einen viel beachteten Anfang unter der Überschrift "Vom Konflikt zur Gemeinschaft". Auch davor hatten jahrhundertelange Konflikte, Verurteilungen und einige jahrzehntelange Annäherungsversuche gelegen.