Zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung (2011) ermittelte das Ensemble bereits seit 17 Jahren, da sind glaubwürdige Überraschungen naturgemäß kaum noch möglich. Dank Näter aber zeigt die sonst so beherrschte Kommissarin ganz andere Seiten, wenn auch sehr zum Missfallen des Kollegen Otto Garber (Florian Martens): Als ihr verflossener Geliebter (Michael Mendl) auftaucht, dessen Verschwinden ihr vor Jahren jeden Lebensmut nahm, bröckeln Zorn und Widerstand im Nu. Kurz drauf aber ist der Mann tot, und offenbar steht sein gewaltsames Ableben in Verbindung zu dem Fall, den die Berliner Ermittler unter Hochdruck lösen müssen, weil ihnen der Chef (Arnfried Lerche diesmal nicht sympathisch trottelig, sondern sehr energisch) im Nacken sitzt: Ein populärer und respektierter Bundestagsabgeordneter ist erschossen worden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Geschickt kombiniert Näter mehrere emotionale Ebenen, verzögert es aber raffiniert, die Ursachen für die Gefühle preiszugeben. Auf diese Weise entwickeln sich diverse Dramen. Als erster wird der bei seinen Kindern verhasste tote Politiker entlarvt: Der Mann hatte keineswegs ein Herz für Afrika. Die Hilfsaktionen sollten nicht nur dem Image dienen, sondern auch das Bankkonto füllen, weil sein Partner (schön zwielichtig: Jörg Schütte) die Spenden fleißig in andere Kanäle lenkte.
Neben der durchaus brisanten Handlung ist auch die optische Auflösung immer wieder sehenswert, wenn beispielsweise zwei Frauen in einer Parallelsequenz ganz unterschiedlichen Herrenbesuch bekommen. Darstellerisch ist die Episode mit dem Titel "Tödliches Schweigen" ohnehin ein Genuss, ein typisches Merkmal nicht nur von Näters Filmen, sondern auch dieser Reihe (weitere Mitwirkende sind unter anderem Julia Jäger als Witwe des Politikers, Amelie Kiefer als ihre Tochter und Melika Foroutan als Geliebte). Einziges Manko: Die obligate Eskapade des Ex-Kollegen Sputnik (Jaecki Schwarz), der sich diesmal bemitleidenswert erfolglos als Politiker versucht, ist ein völliger Fremdkörper. Ansonsten aber sorgt fast jede Szene für eine überraschende Handlungswendung.