Uwe Kockisch ist der erste von drei Gründen, warum dieser ungewöhnliche Krimi selbst dann sehenswert wäre, wenn er eine ganz normale Geschichte erzählen würde. Die beiden weiteren sind Magnus Vattrodt und Matti Geschonneck: Wenn der Autor und der Regisseur zusammenarbeiten, kommen dabei grundsätzlich preiswürdige Filme heraus; entsprechend oft sind sie für Krimis und Dramen wie "Liebesjahre", "Das Ende einer Nacht" oder "Ein großer Aufbruch" unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden. Im Vergleich zu diesen herausragenden Werken wirkt "Ein Kommissar kehrt zurück" auf den ersten Blick fast bescheiden. Die Handlung lebt vom Katz-und-Maus-Spiel, dass Kovak mit einem Mann treibt, den er liebend gern überführen würde: Vor zwanzig Jahren ist in einem kleinen Dorf bei Greifswald ein Mädchen auf dem Weg zur Schule in einen Wald verschleppt und auf offenbar unvorstellbar grausame Weise ermordet worden. Für Kovak steht außer Frage, dass Physikprofessor Adam (Sylvester Groth) der Täter war. Es gab einige Indizien, aber keinerlei Beweise, weshalb es gar nicht erst zu einer Anklage gekommen ist. Nach seiner Pensionierung quartiert sich der Kommissar in einem verfallenen Haus in Adams Nachbarschaft ein, belauert ihn Tag und Nacht und wartet darauf, dass der durch die ständigen Provokationen genervte Professor einen Fehler macht; bis der Mann den Spieß rumdreht.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich steht das fesselnde Duell der beiden Figuren und somit auch der Darsteller im Zentrum des Films. Kockisch und Groth gehören zu den Schauspielern, die keine großen Gesten brauchen, um große Wirkung zu erzielen; ihre schiere Präsenz genügt völlig. Damit sind sie wie geschaffen für Geschonneck, dessen Filme ebenfalls ohne jede Effekthascherei auskommen. Mit Kockisch hat er unter anderem "Duell in der Nacht" und "Tod einer Polizistin" gedreht, mit Groth bislang noch gar nicht. Ähnlich gut besetzt sind die Nebenrollen: Jenny Schily spielt die Mutter des Mädchens, mit der Kovak ein Gelegenheitsverhältnis unterhält. Ihr hat er einst das arbeitstitelgebende Versprechen gegeben, den Mord aufzuklären. Das gelingt ihm am Ende auch, aber auf erschütternd andere Art, als es ihm bis dahin vorschwebte; maßgeblichen Anteil daran hat der Vater (Oliver Stokowski) des Opfers. Sophie von Kessel verkörpert eine Kollegin vom LKA, die Kovak seit der damaligen Zusammenarbeit eng verbunden ist. Die wichtigste Nebenfigur aber ist Adams Freundin Luisa (Ulrike C. Tscharre), die keine Ahnung von dem Verbrechen hat und erst recht nicht weiß, dass aus Kovaks Sicht keinerlei Zweifel an der Schuld des Professors besteht. Luisa findet den neuen Nachbarn sympathisch und lädt ihn zum Essen ein. In dieser Schlüsselszene des Films konfrontiert der Physiker den Kriminalisten mit dessen Fixiertheit, die zur Folge hatte, dass nie nach einem anderen Täter gesucht worden ist.
Dank Vattrodts cleverem Drehbuch, Geschonnecks entsprechender Inszenierung sowie der Wahl der beiden Hauptdarsteller überträgt sich Kovaks Überzeugung prompt aufs Publikum; mit Ausnahme einer ganzen Fotoserie von einem Mädchen, für die der Professor eine plausible Erklärung hat, findet Kovak jedoch selbst bei der Durchsuchung von Adams Haus keinerlei belastende Hinweise. Dieser dramaturgischen Balance verdankt der Film eine für Geschonnecks Verhältnisse fast schon zu simple Form der Spannung: weil bis zum Schluss offen bleibt, ob sich der Kommissar in eine fixe Idee verrannt hat oder der durchaus sympathische Adam ein besonders durchtriebener Mörder ist. Ähnlich herausragend wie die Führung der Schauspieler ist die Bildgestaltung; Theo Bierkens, mit dem Geschonneck seit einigen Jahren bevorzugt zusammenarbeitet, hat dem Film eine schöne melancholische Herbststimmung verliehen, die auch die Innenaufnahmen prägt. Die ohnehin nicht gerade freudvolle Geschichte endet dafür umso düsterer mit zwei Toten, die auf Kovaks Konto gehen; der Schluss mit der ehrenvollen Verabschiedung ist ein denkbar grimmiger Epilog.