TV-Tipp: "Tatort: Klingelingeling" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Klingelingeling" (ARD)
26.12., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Klingelingeling"
Der "Tatort" aus München trägt sich zwar zur Weihnachtszeit zu, doch der Titel bezieht sich keineswegs auf etwaige Weihnachtslieder: "Klingeling" steht für das Geräusch der Münzen, die in den Becher eines Bettlers fallen. Die Geschichte ist ohnehin alles andere als heiter und besinnlich, im Gegenteil: Für einen Weihnachts-"Tatort" ist der Film ganz schön deprimierend.

Hauptfiguren sind zwei junge Rumäninnen, die gemeinsam mit vielen anderen unter dem brutalen Regiment der beiden Brüder Radu und Calin Stelica leiden. Die Kerle karren ganze Busladungen voller bemitleidenswerter Männer und Frauen allen Alters nach München, wo sie in der Innenstadt ausschwärmen und um Almosen betteln. Die "Einnahmen" werden regelmäßig abkassiert. Im Grunde funktioniert das System wie Zwangsprostitution; wer aufmuckt, wird verprügelt.

Dinah Marthe Golch, die immer wieder sehr gute Drehbücher für die Münchener Kommissare schreibt und für "Nie wieder frei sein" (2010) mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden ist, beginnt die Handlung mit einer Frühgeburt: Eigentlich sollte das Baby von Tida (Mathilde Bundschuh) erst im Januar zur Welt kommen, doch der enorme Stress und die ständig verabreichten Liquid-Ecstasy-Tropfen haben zur Folge, dass sie den kleinen Lucian irgendwo in einem Keller gebärt. Weil sie Angst hat, dass die Stelicas ihr das Baby wegnehmen, weil Betteln mit Kindern in München verboten ist, bittet sie ihre Schwester Anouscha (Cosmina Stratan), sich mit dem Säugling zu verstecken; aber einer der Brüder ist ihnen schon auf den Fersen. Die Kommissare Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec) kommen ins Spiel, weil das Kind kurz drauf tot in einer Kirche gefunden wird. Den älteren Bruder, Radu (Florin Piersic Jr.), haben sie rasch gefunden, doch von dem anderen fehlt jede Spur. Derweil versteckt sich Anouscha in den Räumen einer Hilfsorganisation für Rumänien, aber Radu braucht nicht lange, um sie dort aufzustöbern.

Gerade im Kontrast zur weihnachtlichen Vorfreude ist das Schicksal der beiden jungen Frauen erbarmungswürdig. Trotzdem traut sich Golch, dem Film auch eine witzige Ebene zu geben. Die eigentlich groteske Mischung funktioniert, weil die tragische Seite der Geschichte dadurch nicht abgewertet wird. Die humoristischen Anteile beschränken sich ohnehin auf den Polizeialltag, denn auch dort gibt es den Gegensatz zwischen Frohsinn auf der einen und dem alltäglichen Grauen auf der anderen Seite. Regisseur Markus Imboden hat dank seiner langjährigen Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen Autor Holger Karsten Schmidt und gemeinsamer schwarzhumoriger Krimikomödien wie "Mörder auf Amrum" ohnehin viel Erfahrung mit der Kombination kontrastierender Stimmungen. Als Gag nicht neu, aber sehr witzig umgesetzt ist beispielsweise eine Szene, in der Leitmayr mit einem Plastikbecher in der Hand zwei Obdachlose befragt und ihm jemand einen "Zwickl" (zwei Euro) in den Kaffee wirft. Die beiden auf einem Friedhof lebenden Berber (Ferdinand Dörfler, Wolfgang Pregler) sind zudem echte Originale mit viel Mutterwitz. Und weil sich die Außenaufnahmen größtenteils in der Fußgängerzone abspielen, darf auch eine Panflötencombo nicht fehlen, die selbstredend "El cóndor pasa" spielt. Sehr amüsant sind auch die Scherze rund um das von Wachtveitl nicht sonderlich geschätzte Wichteln zwischen den Kollegen. Ansonsten ist es vor allem Mutter Wachtveitl, die ihren Sohn in den ungeeignetsten Situationen daran erinnert, eine Weihnachtsgans zu besorgen. Der entsprechende Klingelton, ein Jimi-Hendrix-Akkord, sorgt im Verlauf der Handlung für eine clevere Verknüpfung der beiden Ebenen, als Radu ihn während eines Telefonats wiedererkennt.

Markante Besetzung der beiden Schwestern

Die Besetzung dieses Mannes mit Florin Piersic Jr. war ebenfalls eine gute Idee. Natürlich ist der skrupellose Radu im Umgang mit den Bettlern durch und durch Schurke, aber er zeigt auch überraschend sympathische Seiten, die Piersic ebenso glaubwürdig verkörpert. Der Rumäne ist ohnehin ein interessanter Typ und hat 2014 auch hierzulande mit seinem Filme "Killing Time" für gewisses Aufsehen gesorgt. Bei der Groteske über zwei Auftragskiller war er für Buch, Regie, Schnitt und Produktion verantwortlich und hat zudem eine der beiden Hauptrollen gespielt. Nicht minder markant ist die Besetzung der beiden Schwestern. Das Rumänisch von Mathilde Bundschuh kann naturgemäß nur beurteilen, wer die Sprache spricht, aber es klingt sehr überzeugend. Davon abgesehen verkörpern sie und die Rumänin Cosmina Stratan die beiden Frauen überaus berührend.

Eine ähnliche Gratwanderung wie die Verquickung tragischer und komischer Elemente ist auch das Thema selbst. Man helfe den Rumänen viel mehr, wenn man sie ignoriere, heißt es mal. Die Botschaft, Bettlern überhaupt keine Almosen mehr zu geben, ist allerdings auch etwas fragwürdig; und das nicht nur zur Weihnachtszeit.