Am Ende wird seine Firma pleite sein, man hat ihn verprügelt und auf ihn geschossen, und der Diebstahl eines Polizeifahrzeugs wird ein Nachspiel haben. Aber all das ist nur Nebensache, denn Richard (Roeland Wiesnekker) hat es nach zwanzig Jahren endlich geschafft, den Schatten seines Bruders hinter sich zu lassen. Außerdem ist es ihm gelungen, die Liebe seiner Tochter zurückzuerobern, und danach sieht es zu Beginn wahrlich nicht aus: Marie (Lola Dockhorn), Prachtexemplar eines trotzigen Teenagers, lässt Richard erbarmungslos auflaufen, weil sie ihm die Schuld am Scheitern der Familie gibt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich kostet Ammann, der auch das Drehbuch geschrieben hat, das Pech seiner Hauptfigur weidlich aus, zumal Wiesnekker diesen von vielen Missgeschicken gebeutelten Mann mit zunehmend komischer Verzweiflung verkörpert. Während Mutter und Tochter ihm auf der Nase rumtanzen, wird er dank regelmäßiger Telefonate mit einem Angestellten hilflos Zeuge, wie seine Firma pleite geht. Und doch macht Ammann schon früh deutlich, dass die komödiantischen Momente nur dazu dienen, um die eigentliche Geschichte leichter verdaulich zu machen: Erst wenn sich Richard seiner Rolle als Sohn vergewissert, kann er auch ein guter Vater sein. Das aber scheint unmöglich, denn sein Widerpart ist ein Geist: Mutter Hilde hat stets seinen jüngeren Bruder bevorzugt, erst recht nach dessen Tod, an dem sie Richard zu allem Überfluss die Schuld gibt. Dass die Tonart des Films trotz dieses Hintergrunds nie vorwiegend tragisch ist, liegt nicht zuletzt an der Musik von Thomas Osterhoff, die eine sanft ironische Heiterkeit verbreitet.
Ähnlich sehenswert wie Wiesnekker sind auch seine beiden Partnerinnen. Bei einer Bühnengröße wie Christine Ostermayer ist das natürlich keine große Überraschung, und bei Lola Dockhorn im Grunde auch nicht; aber nur, wenn man sie als Tochter eines behinderten Vaters in der Tragikomödie "Einer wie Bruno" mit Christian Ulmen gesehen hat. In "Nebenwege" stellt die mittlerweile 18 Jahre junge Schauspielerin ihr großes Talent erneut unter Beweis. Eine witzige Gastrolle spielt Tilo Prückner, dem unter anderem das Kunststück gelingt, beim Mopedfahren einhändig eine Bierflasche zu öffnen.