TV-Tipp: "Helen Dorn: Die falsche Zeugin" (ZDF)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Helen Dorn: Die falsche Zeugin" (ZDF)
26.11., ZDF, 20.15 Uhr: "Helen Dorn: Die falsche Zeugin"
Regisseur Alexander Dierbach begnügt sich mit wenigen echten Thrillerszenen, erzeugt aber trotzdem eine durchgehende Spannung auf hohem Niveau. Vorzüglich ist auch seine Arbeit mit den Schauspielern.

Mit dem im Frühjahr ausgestrahlten Film "Gefahr im Verzug" hat Regisseur Alexander Dierbach einen der bislang besten Beiträge zur ZDF-Reihe "Helen Dorn" gedreht. Gemessen an dem Thriller beginnt "Die falsche Zeugin" wie ein normaler Krimi, der die Ereignisse des letzten Falls auch nicht weiter aufgreift, sieht man davon ab, dass sich die Heldin (Anna Loos) in ein Haus am See zurückgezogen hat, weil sie sich von einem Stalker verfolgt fühlt. Nach und nach entwickelt das Drehbuch von Mathias Schnelting, der auch "Gefahr im Verzug" geschrieben hat, jedoch eine ungeahnte Komplexität. Erneut muss sich Dorn, die nach dem (leider nie thematisierten) Abschied ihres Kontrastpartners Georgi noch eigenbrötlerischer wirkt als früher, mit finsteren Mächten auseinandersetzen, die sich zudem schützender Hände gewiss sein können.

"Die falsche Zeugin" beginnt mit einem Diebstahl: Am Düsseldorfer Flughafen klaut der kleine Sohn einer rumänischen Putzfrau einen Datenträger. Der bestohlene Mann (Hubertus Hartmann) verfolgt den Jungen und wird schließlich von dessen Mutter mit einem Feuerlöscher niedergeschlagen. Als ein Wachmann kurz drauf die Polizei alarmiert, wird auch Helen Dorn an den Tatort gerufen, allerdings nicht, weil dem Opfer das Genick gebrochen wurde oder weil es erstaunlich viel Bargeld dabei hatte, sondern weil es bereits vor zwölf Jahren gestorben ist. Eine BKA-Beamtin (Christina Hecke) sorgt für Aufklärung: Der Mann galt als Buchhalter des Verbrechens und wollte dem Bundeskriminalamt Material übergeben, mit dem endlich die illegalen Geldwäschemethoden eines Unternehmer aufgedeckt werden könnten. Dorn findet allerdings raus, dass dieser Hagen de Winter (Dominik Raacke) noch viel mehr Dreck am Stecken hat: Der Spediteur handelt nicht nur mit illegalen Abfällen, sondern auch mit illegalen Einwanderern; und das sind die harmloseren seiner Verbrechen. Außerdem gibt es noch eine offene Rechnung; aber de Winter hat dank besonders widerwärtiger Machenschaften mächtige Verbündete in den höchsten Kreisen.

Ein Dieb, ein Spanner und ein Rassist - aber kein Mörder

Wie schon in "Gefahr in Verzug" erzählt Schnelting eine Vielzahl von Geschichten, die sich allerdings beiläufig entwickeln; es geht um Menschenhandel und organisierten Kindesmissbrauch, um das Leben in der Illegalität sowie um die Gelegenheit, nach Jahren des stillen Schmerzes endlich Rache nehmen zu können. Auch die Beziehung zwischen Vater (Ernst Stötzner) und Tochter Dorn ist mehr als nur Beiwerk, schließlich war Richard Dorn einst selbst Polizist. Einige Nebenfiguren sind allerdings ein bisschen stereotyp ausgefallen. Die Kollegin vom BKA zum Beispiel ist wie fast immer in solchen Krimis nicht Partnerin im Kampf gegen das Böse, sondern eine Frau, die individuelle Tragödien achselzuckend in kauf nimmt, um ihr großes Ziel zu erreichen. Noch klischeehafter ist allerdings der Wachmann, den Thorsten Merten derart vierschrötig verkörpern muss, dass an seiner Schuldhaftigkeit keinerlei Zweifel besteht. Der Mann ist ein Dieb, ein Spanner und ein Rassist; den Mord allerdings haben weder er noch die Putzfrau begangen.

Dierbach begnügt sich mit wenigen echten Thrillerszenen, erzeugt aber trotzdem eine durchgehende Spannung auf hohem Niveau. Vorzüglich ist auch seine Arbeit mit den Schauspielern. Dominik Raacke zum Beispiel, immerhin der große Gegenspieler, hat kaum Text, macht aus dem Verbrecher im Anzug aber trotzdem eine charismatische Figur. Dank des guten Drehbuchs kann es sich Dierbach auch leisten, einige Entwicklungen bloß nebenbei zu erzählen. Gleich zu Beginn greift Dorn, die während der Ermittlungen in einem Hotel wohnt, bei einem lautstarken Ehekrach in einem Nachbarzimmer ein. Auf diese Weise schlägt Schnelting zwei Fliegen mit einer Klappe: Er stellt die Courage seiner Heldin unter Beweis; und schafft die Voraussetzung für eine spätere Handlungswendung, als das Hotel plötzlich vor Polizisten nur so wimmelt und sich die Putzfrau und ihr kleiner Sohn, die zwischenzeitlich Zutrauen zur Kommissarin gefasst hatte, erschreckt aus dem Staub machen. Einen weiteren Aspekt, die Scham der Opfer, handelt der Film beinahe zu beiläufig ab; aber diese Ebene der Geschichte führt Dorn schließlich zum Mörder des Buchhalters.