Celle (epd). Das Oberlandesgericht Celle hat zu Beginn des Prozesses gegen die mutmaßliche 16-jährige IS-Attentäterin Safia S. die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Deutsch-Marokkanerin muss sich nach einem Messerangriff auf einen Bundespolizisten in Hannover wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft der damals 15-jährigen Schülerin vor, am 26. Februar im Auftrag der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) einen Beamten im Hauptbahnhof der niedersächsischen Landeshauptstadt niedergestochen und dabei lebensgefährlich verletzt zu haben (AZ: 4 StE 1/16).
Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow sagte, die Jugendliche und ihre Privatsphäre müssten geschützt werden. Das wiege schwerer als das große öffentliche Interesse angesichts des islamistischen Terrorhintergrundes.
Wer chattete mit Safia S.?
Bundesanwalt Simon Henrichs sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er gehe davon aus, dass Safia S. vom IS motiviert und angeleitet wurde. Entsprechende Beweismittel werde er im Laufe der Hauptverhandlung vorlegen.
Nach Ansicht von Safias Anwalt Mutlu Günal handelt es sich bei den Beweismitteln um Chat-Protokolle eines Messengerdienstes. Günal bezweifelte die Beweiskraft dieser Chats: "Es ist doch kaum vorstellbar, dass sich hohe Regierungsvertreter des IS mit einer 15-Jährigen beschäftigen", sagte er nach dem ersten Verhandlungstag. Außerdem gebe es keinerlei Hinweise darauf, wer tatsächlich mit Safia kommuniziert habe.
Günal stellte infrage, ob Safia die Folgen ihrer Tat tatsächlich überblicken konnte: "Sie ist ein Kind." Nur wenige Tage nach ihrem Angriff habe sie dem Bundespolizisten einen Entschuldigungsbrief geschrieben. "So etwas macht kein fanatischer Überzeugungstäter", sagte Günal. Außerdem habe Safia am Donnerstag vor Gericht angekündigt, sich bei dem Polizisten auch persönlich entschuldigen zu wollen. Der Beamte will als Nebenkläger vom zweiten Verhandlungstag an den Prozess verfolgen.
Der Bundesanwaltschaft zufolge wurde Safia S. schon früh von ihrer marokkanischen Mutter und ihrem deutschen konvertierten Vater in einem islamistischen Sinn erzogen. Bereits mit sieben Jahren trat sie gemeinsam mit dem Salafistenprediger Pierre Vogel in Videos aufs. Im Januar sei sie nach Istanbul gereist und habe Kontakt mit dem IS aufgenommen. Doch kurz vor ihrer Ausreise nach Syrien habe ihre Mutter sie zurück nach Deutschland geholt. In Istanbul habe Safia S. von Mitgliedern des IS den Auftrag bekommen, in Deutschland eine "Märtyrer-Tat" zu begehen.
Personenkontrolle provoziert
Zurück in Hannover habe sie Kontakt zum IS gehalten und um Hilfe bei der Planung gebeten. Einem Mitglied habe sie auch ein selbst gefertigtes Bekennervideo geschickt und mit ihm das Attentat vorbereitet. Danach sei Safia S. mit zwei Messern zum Hauptbahnhof gefahren und habe nach "einem aussichtsreich erscheinenden Opfer" gesucht, heißt es in der Anklage. Dann habe sie zwei auf Streife gehende Bundespolizisten zu einer Personenkontrolle provoziert und einen der beiden Beamten gezielt mit einem Gemüsemesser oberhalb der Schutzweste am Hals lebensbedrohlich verletzt.
In Deutschland ist in dem Prozess erstmals ein minderjähriges Mädchen angeklagt, das versucht haben soll, im Namen und im Auftrag des IS einen Menschen zu ermorden. Nach dem Jugendstrafrecht drohen ihr bis zu zehn Jahre Gefängnis. Mit Safia steht auch der 20-jährige Mohamad Hasan K. vor Gericht. Der Mann mit deutschem und syrischem Pass soll von der geplanten Tat gewusst, sie aber nicht bei der Polizei angezeigt haben. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft.