Berlin, Genf (epd). Angesichts der Kämpfe um die nordirakische Millionen-Stadt Mossul sorgen sich Hilfsorganisationen und die Bundesregierung um den Schutz der Zivilbevölkerung. Helfer, die UN sowie die irakische Regierung seien bisher gut vorbereitet, um Flüchtlinge in der Region zu versorgen, allerdings könnten Probleme nicht ausgeschlossen werden. Das liege bei der "schieren Komplexität und Größenordnung" der militärischen Offensive auf der Hand, sagte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Stabilitätspartnerschaft Mittlerer Osten, Joachim Rücker, am Dienstag in Berlin.
Schwierigkeiten könnte die Versorgung der Flüchtlinge bereiten, wenn die Zahl der Vertriebenen zu groß würde. Auch die mögliche Flucht von Anhängern der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aus dem Irak berge Probleme. Rücker wies darauf hin, dass für die Stabilisierung der Region und für Hilfsmaßnahmen nach Ende der Militäroperation weitere finanzielle Hilfe notwendig werde.
Vertreibung von Jungen und Mädchen
Das Rote Kreuz befürchtet, dass die IS-Terrormiliz chemische Waffen einsetzen könnte. Krankenstationen rund um Mossul würden für die Behandlung von Opfern chemischer Attacken vorbereitet, erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf. Dazu gehöre auch die Verteilung von Schutzmasken.
Das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) warnte vor einem Massenexodus aus der Stadt. Die Rückeroberung Mossuls durch die irakische Armee aus der Gewalt der Terrormiliz IS könnte plötzlich rund eine Million Menschen in die Flucht zwingen, warnte ein Sprecher. Laut OCHA haben sich die UN und ihre Partnerorganisationen seit Monaten auf die Versorgung der Menschen aus Mossul vorbereitet. Allerdings verfügten die Helfer über keine Kontakte zum IS.
Unicef befürchtet, dass mehr als 500.000 Kinder und ihre Familien in Mossul in den kommenden Wochen extremer Gefahr ausgesetzt sein werden. Viele Mädchen und Jungen könnten vertrieben werden, zwischen die Frontlinien oder ins Kreuzfeuer geraten, erklärte der Leiter von Unicef Irak, Peter Hawkins.
Auch die Diakonie Katastrophenhilfe forderte eindringlich Schutz für Zivilisten. "Eine humanitäre Notlage muss verhindert werden", betonte die Präsidentin der evangelischen Organisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Der Winter stehe bevor, und Notunterkünfte in der Region müssten rasch fertig gebaut werden. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat Essenspakete, Kochgeschirr und warme Decken vorbereitet.
Tausende Zivilisten sind Opfer
In Erwartung einer großen Flüchtlingsbewegung brachte Unicef Hygieneartikel, Latrinen, mobile Duschen und Materialien zur Wasserversorgung für 150.000 Menschen in die Region. Insgesamt sollten in den kommenden Wochen Hilfsgüter zur Versorgung von 350.000 Menschen bereitgestellt werden. Mobile Teams sollten schwer traumatisierte und verletzte Kinder betreuen und impfen. Das Welternährungsprogramm verfügt in der Region über Lebensmittel, um eine Million Menschen einen Monat lang zu versorgen.
Die irakischen Streitkräfte haben mit Unterstützung kurdischer Milizen und einer US-geführten Anti-Terror-Allianz in der Nacht zum Montag eine Offensive auf Mossul begonnen, um die Stadt vom IS zu befreien. Nach Angaben aus UN-Kreisen könnte die Militäroffensive Wochen oder Monate dauern. Mossul ist seit Juni 2014 vom IS besetzt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft paramilitärischen Milizen und Regierungstruppen im Irak unterdessen schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vor. Tausende Zivilisten, die aus vom IS kontrollierten Gebieten geflohen sind, seien im Mai und Juni bei Einsätzen um die irakische Stadt Falludscha Opfer schiitischer Milizen und möglicherweise auch von Regierungstruppen geworden, heißt es in einem in London und Berlin veröffentlichten Bericht.