Berlin/Dresden (epd). Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber Al-Bakr in einem Leipziger Gefängnis hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) umfassende Aufklärung verlangt. Wenn es zu solch einem Fall komme, sei etwas "schiefgelaufen", Warnzeichen seien nicht früh erkannt und Fehleinschätzungen vorgenommen worden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) räumte Fehler bei den sächsischen Behörden ein. Die Grünen forderten einen unabhängigen Untersuchungsausschuss.
Debatte über Justizbehörden
Die Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag erklärte, mögliche Fehler und Fehleinschätzungen der Justizbehörden müssten lückenlos aufgedeckt werden. Die Untersuchung sollte durch ein mindestens dreiköpfiges Expertenteam erfolgen. Ministerpräsident Tillich sagte, er stehe einer unabhängigen Untersuchung offen gegenüber.
Der Tod des 22 Jahre alten Syrers am Mittwoch hatte großes Entsetzen und eine Debatte über die sächsischen Justizbehörden ausgelöst. Unter anderem auch deshalb, weil Fragen zu seinen möglichen Terrorplänen und Hintermännern damit vermutlich offenbleiben. Al-Bakr, der in Chemnitz lebte, war in der Nacht zum Montag in Leipzig festgenommen worden. Die Verantwortlichen in der Justizvollzugsanstalt Leipzig stellten keine erhöhte Suizidgefahr des Gefangenen fest, obgleich er in seiner Zelle randaliert und eine Glühbirne zerschlagen hatte. Am Mittwochabend fand ihn eine Anwärterin auf den Justizdienst stranguliert an einem Gitter.
Ministerpräsident räumt Fehler ein
Bundesinnenminister Thomas de Maizère (CDU) hatte ebenso wie zahlreiche andere Politiker bereits am Donnerstag eine umfassende Aufklärung gefordert. Sachsens Ministerpräsident Tillich, der sich am Donnerstag noch klar hinter seinen Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) gestellt hatte, räumte am Freitag Fehler ein. Den Vorwurf eines "Staatsversagens" wies er aber als zu weitgehend zurück.
"Der Suizid hätte verhindert werden müssen, in jedem Fall", sagte Tillich im Bundesrat in Berlin. Es hätten "andere Maßstäbe bei uns in der Justiz angelegt werden müssen". Sachsens Behörden müssten sich künftig besser auf den Umgang mit Häftlingen mit einem Täterprofil wie im Fall des Syrers vorbereiten. Es sei auch zu prüfen, ob Gesetze und Vorschriften angepasst werden müssten.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), forderte bundesweit verbindliche Regelungen im Umgang mit Terrorverdächtigen. "Es muss klare Vorgaben zwischen Bund und Ländern geben, damit am Ende nicht einzelnen Bediensteten die Verantwortung zugeschoben wird", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstagsausgabe). Es gebe offenbar Regionen in Deutschland, die den Herausforderungen solcher Terrorszenarien nicht gewachsen seien. "Das Land Sachsen ist hier deutlich an seine Grenzen gestoßen", erklärte Özoguz.