TV-Tipp: "Hirngespinster" (ARD)

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TV-Tipp: "Hirngespinster" (ARD)
19.10., ARD, 20.15 Uhr: "Hirngespinster"
Der 23jährige Simon möchte seine Mutter und Schwester Maja nicht mit dem unberechenbaren Vater alleine lassen, obwohl er längst ein eigenes Leben führen sollte. Die Familie droht an der psychischen Erkrankung von Vater Hans zu zerbrechen, der zu Verfolgungswahn und Gewaltausbrüchen neigt.

Der Titel ist fast zu harmlos für dieses ausgezeichnet gespielte Drama von Christian Bach, der mit seinem Debütfilm ein außerordentliches Talent offenbart. Bach (Buch und Regie) erzählt die Geschichte einer Familie, die an der psychischen Erkrankung des Vaters zu zerbrechen droht. Zentrale Figur ist der 23jährige Simon (Jonas Ney), der sich nicht traut, sein Elternhaus zu verlassen, weil sein Vater unberechenbar geworden ist: Hans (Tobias Moretti), einst ein gefeierter Architekt, hat sich mit seinem Partner und Freund zerstritten und ist überzeugt, der Kollege versuche, seine Entwürfe zu stehlen. Als auf dem Nachbarhaus eine Satellitenschüssel installiert wird, zerstört er sie in der Nacht, weil er glaubt, dass man ihn ausspionieren will; später tapeziert er die Wände mit Goldfolie. Weil er die Elektrotechniker, die eine neue Schüssel angebracht haben, mit einer Axt bedroht, sorgen die Nachbarn dafür, dass er wie ein Schwerverbrecher von der Polizei abgeführt und eingewiesen wird.

Schafft Sohn Simon den Absprung vom Elternhaus?

Ein formidabler und bühnenerfahrener Schauspieler wie Tobias Moretti braucht nicht viel, um die psychischen Defekte von Hans zu verkörpern: Schminke, Barstoppeln und schließlich ein Licht, das seinen Blick noch stechender wirken lässt, genügen vollauf, um ihn im Verlauf der Handlung immer diabolischer erscheinen zu lassen. Gleichzeitig schimmern aber auch noch Charme und Verschmitztheit durch, so dass nachzuvollziehen ist, warum sich Ehefrau Elli (Stephanie Japp) einst in diesen Mann verliebt hat. Diese Liebe ist es auch, die es für selbstverständlich erscheinen lässt, zu Hans zu stehen. Im familiären Alltag aber kommt einzig die kleine Maja (Ella Frey) noch in den Genuss der väterlichen Zuneigung, seit Hans mitbekommen hat, dass Elli die verordneten Psychopharmaka, die er nicht einnehmen will, unter sein Essen mischt. Simon hält er ohnehin für einen Spion seines Expartners.

Wundersamerweise ist diese beklemmende Geschichte in Bachs Umsetzung bei weitem nicht so düster geworden, wie sie klingt. Natürlich ist "Hirngespinster" keine Komödie, aber zumindest am Anfang wirkt Hans wie einer jener zwar wunderlichen, aber im Grunde harmlosen Elektrosmog-Rebellen; es gibt durchaus die eine oder andere heitere Szene. Für eine gewisse Auflockerung sorgt auch eine zaghafte Romanze: Simon lernt Verena (Hanna Plaß) kennen, eine angehende Medizinstudentin, die in der bayerischen Kleinstadt ein Praktikum macht. Weil sie demnächst nach Hamburg ziehen wird, wollen sich die beiden lieber nicht ineinander verlieben; außerdem erzählt Simon ihr nichts von den Schüben seines Vaters. Und so zerren plötzlich viel zu viele Fliehkräfte an dem jungen Mann: Eigentlich müsste er hinaus ins Leben, zumal er ein großes Zeichentalent hat, aber er will die Mutter und seine Schwester nicht im Stich lassen; und dann ist da noch die Angst, er könnte die Krankheit ebenfalls in sich tragen.

Neben der berührenden Geschichte und der sorgfältigen Zeichnung der Figuren, deren Verhalten jederzeit nachvollziehbar ist, beeindruckt "Hirngespinster" vor allem durch die Leistungen der Darsteller. Jonas Ney ("Deutschland 83"), seit "Homevideo" einer der interessantesten Schauspieler seiner Generation, ist ebenso vorzüglich wie Moretti. Auch Hanna Plaß, die in den "Hattinger"-Krimis die Tochter des Titelhelden spielt, fügt sich bestens ins Ensemble ein. Wie gut Bach auch mit ganz jungen Darstellern zurechtkommt, zeigt seine Führung von Ella Frey, die keine leichte Rolle hat; die kleine Maja verdeutlicht mit ihren unbefangenen Kinderfragen ("Ist Papa ein Psycho?", "Was ist eigentlich eine Klapsmühle?"), wie groß der Druck auch von außen ist. Im Kino lief der Film praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aber die Kinoauswertung hat Moretti und Nay den Bayerischen Filmpreis beschert und dem Film das Prädikat "Besonders wertvoll" eingebracht.