Sie sind nicht so konsequent auf eine Hauptfigur zugeschnitten wie beispielsweise "Unter Verdacht" oder "Spuren des Bösen", selbst wenn Hauptkommissarin Nina Petersen (Katharina Wackernagel) eine zentrale Rolle einnimmt; sie verzichten im Unterschied zu "München Mord" oder "Schwarzach 23" konsequent auf humoristische Einlagen; wenn ein Schauspieler wie etwa Wotan Wilke Möhring nicht mehr mitwirken kann oder will, weil er für die ARD einen "Tatort"-Kommissar spielt, verschwindet die Rolle nicht einfach, und der Darsteller wird auch nicht sang- und klanglos ersetzt; die Geschichten sind keine klassischen Krimis, sondern knallharte Thriller. Vor allem aber bilden die nun neun Folgen ein Gesamtkunstwerk, weil frühere Figuren immer wieder auftauchen: Mal hat Petersen im Drogenwahn eine Halluzination ihrer in der ersten Folge ermordeten Chefin, mal wird sie erneut mit einem in einer früheren Episode verhafteten Schurkenpärchen konfrontiert. Natürlich machen diese Elemente viel mehr Spaß, wenn man die älteren Filme gesehen hat; allerdings sorgen Buch und Regie stets dafür, dass die jeweilige Handlung auch ohne das Vorwissen funktioniert. Dass trotz der wechselnden Konstellationen Autor Sven S. Poser an sämtlichen Drehbüchern beteiligt ist, dürfte großen Anteil an der durchgehenden Qualität der Reihe haben.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Wahrheit über Morolfs Verstrickung in die ganze Sache ist allerdings viel komplizierter und vor allem tragischer, wie eine Rückblende gleich zu Beginn bereits andeutet. Sie zeigt Morol mit einer attraktiven jungen Frau (Katharina Nesytowa), die wissen will, auf welcher Seite er eigentlich stehe. Diese Frage ist so etwas wie das Leitmotiv des Films. Die Liaison allerdings hat ein denkbar düsteres Ende genommen, aber das zeigt sich erst viel später. Nach dem erotischen Auftakt ändert Lars-Gunnar Lotz, der im letzten Jahr neben der Folge "Der Anschlag" (Episode acht) auch "Kreuzfeuer" (Episode sechs) inszeniert hat, die Stimmung radikal. Ab nun ist "Schutzlos" ein Thriller; dem Regisseur gelingt das Kunststück, die Spannung bis zum Schluss auf einem eindrucksvollen Niveau zu halten, obwohl es außer zu Beginn und gegen Ende kaum Actionszenen gibt. Die sind dafür umso besser gelungen; eine Schießerei bei Nacht und Nebel in einer verlassenen Fabrik ist schon allein bildgestalterisch ein Leckerbissen, weil Kameramann Jan Prahl mit Hilfe des schräg einfallenden Zwielichts großartige Bilder und eine beklemmende Atmosphäre gelungen sind. Die Frage jedoch, wem Morolfs Loyalität gilt, bleibt bis zum Schluss unbeantwortet und liefert somit Stoff für die nächste Episode; Jan Henrik Stahlberg ist als "Pawel" garantiert nicht nur für ein paar Filmsekunden engagiert worden.