Als Julia Peters vor 14 Jahren das erste Mal nach Tansania flog, fürchtete sie, nicht mehr an einem Stück nach Deutschland zurückzukommen. Die damals 30-Jährige sorgte sich wegen Gewalt und Krankheiten in dem ostafrikanischen Land. Zurück in Deutschland war sie über ihre "eigenen Vorurteile schwer schockiert".
Die Frankfurter Filmemacherin flog noch einige Male nach Tansania und beschloss, den Menschen dort eine Stimme zu geben. Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums filmte Peters drei tansanische Chöre bei den Vorbereitungen auf den großen Chorwettbewerb der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Der Film soll im Frühjahr des Reformationsjahres 2017 in die Kinos kommen und im Oktober danach auf 3sat laufen.
"Kanaani" Jugendchor will in Wittenberg auftreten
Peters sieht in ihrem Musikfilm "Luther's Erben - Sing It Loud" eine "tolle Gelegenheit für die Menschen, sich auszudrücken und ihre Geschichte zu erzählen, ohne dass es immer nur um Armut und Aids geht". Das ist wohl ganz im Sinne von Margot Käßmann. Die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017 möchte, dass das Jubiläum nicht "deutschnational wie in den Jahrhunderten zuvor" ausgerichtet sein soll, "sondern weltoffen mit einem Blick über unsere Grenzen hinaus", sagte sie der Zeitschrift "zeitzeichen".
Peters filmte den städtischen "Cantate Chor", den ländlichen "Neema Chor" und den Jugendchor "Kanaani", der mit moderner afrikanischer Gospelmusik antreten will. "Gospel kommt von Herzen", erzählt Nuru, der über den Kanaani Chor als Solosänger Freunde, soziale Anerkennung und einen Arbeitsplatz fand. 2017 soll Nuru mit seinem Chor sogar nach Deutschland kommen. Dann werde der "Kanaani" Jugendchor aller Voraussicht nach auf dem Kirchentag und bei der Reformationsausstellung in Wittenberg auftreten, erzählt Peters.
Für die Drehgenehmigung musste es Peters hinnehmen, dass die Regierung ihr einen Aufseher zur Seite gestellt hat. Davon habe sie erst nach ihrer Ankunft erfahren. "Da war ich sehr, sehr sauer. Der neue Präsident scheint ein ängstlicher Mensch zu sein." Seit November 2015 ist John Magufuli von der Partei Chama Cha Mapinduzi (CCM) als Präsident im Amt. Nach Medienberichten hat sich der im Volk sehr beliebte Magafuli öffentlichkeitswirksam dem Kampf gegen Korruption verschrieben. Kritiker werfen ihm aber vor, es mit den Freiheitsrechten der Bevölkerung nicht so genau zu nehmen. Der Aufseher sei aber sehr verträglich gewesen, berichtet Peters.
Noten und Rhythmus sind schwer
Die rund 6,5 Millionen Lutheraner in Tansania leben ihren Glauben sehr intensiv, erzählt Peters. Sie seien sehr fromm, tränken keinen Alkohol und gingen auch nicht in Diskotheken. Das Grundwissen über Martin Luther sei bei den Menschen vorhanden. "Die Lutheraner in Tansania wissen alle, dass das Reformationsjahr bald losgeht und Luther seine 95 Thesen hatte", erzählt Peters. In ihrem Auftreten seien die Tansanier sehr missionarisch.
Alle rund 1.500 teilnehmenden Chöre stammen aus der nördlichen Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania. Dort sind auch die Leipziger Mission und die Mission Eine Welt ansässig, die den Film finanziell unterstützen und auf eine lange Tradition verweisen können. Schon 1887 kamen die ersten lutherischen Missionare aus Deutschland in das Land am Fuße des Kilimandscharo.
Aber auch nach fast 130 Jahren Missionsgeschichte fremdeln die Einheimischen noch ein wenig mit der europäischen Kultur. Für den Wettbewerb müssen alle Chöre auch ein europäisches Lutherlied wie "Ein feste Burg ist unser Gott" singen. Das ist zwar auf Suaheli übersetzt, bereitet den Sängerinnen und Sängern aber dennoch einige Probleme. Noten und Rhythmus unterscheiden sich erheblich von tansanischen Liedern. "Wir sind es nicht gewohnt, diese Lieder zu singen", erklärt Kelvin, der den Jugendchor Kanaani im Alter von 15 Jahren gegründet hat. Trotzdem nehmen die Choristen die Herausforderung sportlich und versuchen es, berichtet Peters.