Ein Stapel mit Größe "50", daneben die mit "48": Seit einer halben Stunde sortieren drei junge Frauen blaue Arbeitshosen und -overalls. Jede Größe bekommt einen eigenen Haufen. Zum Schluss werden alle durchgezählt und in ein Formular eingetragen.
Die frisch gewaschenen Arbeitssachen sind Eigentum des Deutschen Evangelischen Kirchentags - wie auch die Tausenden Becher und Schüsseln, die unzähligen Kabeltrommeln und Verlängerungsschnüre, Gummistiefel oder Kabelbinder, die in einer Industriehalle in Berlin-Neukölln lagern. Auf 1.200 Quadratmetern stapeln sich Gitterboxen mit Aufschriften wie "Brotmesser", "Messer, Küche, klein", "Schwammtücher", "Einwegschürzen", "Tassen mit Kreuz". In einer Box lagern Feuerlöscher, in einer anderen Tretleitern oder Gastro-Wärmebehälter. Auch transportable Altäre gibt es.
Die Bühnentechnik wird jeweils gemietet
Was den Charme eines Restpostenversands ausstrahlt, ist die Hardware, das Materiallager des Kirchentages. Alle zwei Jahre findet das Protestantentreffen in einer anderen Stadt Deutschlands statt, das nächste vom 24. bis 28. Mai 2017 in Berlin und Wittenberg. Erwartet werden wieder Hunderttausende Besucher, viele davon aus dem Ausland, die eigens wegen des 500. Reformationsjubiläums anreisen. Sie wollen nicht nur geistlichen Input, Austausch und Gespräche sondern müssen auch trinken, essen, sitzen und schlafen. Deshalb zieht das Lager jedes Mal mit um, zuletzt aus Stuttgart nach Berlin. Höchste Zeit für eine Inventur der Bestände.
"Hier findet man alles außer Veranstaltungs- oder Bühnentechnik", berichtet Imken Ostrowski. Die Technik sei zu teuer in der Anschaffung und werde deshalb jeweils gemietet. Die junge Frau war bis vor zwei Jahren hauptberuflich beim Kirchentag für den Einkauf tätig. Dass heißt, sie besorgte bei Bedarf Zehntausende Teelichter oder Butterbrotpapiertüten, Papphocker oder Decken und Kissen.
Heute engagiert sich Ostrowski ehrenamtlich für die Kirchentagsorganisation und gehört damit zu den "HAKAs", dem "harten Kern", wie es intern heißt. Eigens für die Inventur hat sie sich von ihrem aktuellen Arbeitgeber, dem Christlichen Jugenddorfwerk in Stuttgart, freigeben lassen.
"80.000 Kerzen reichen nicht"
Zwischen 20 und 30 Frauen und Männer sind in dieser Septemberwoche mit dem Durchzählen der Bestände beschäftigt. Sie wühlen sich durch Tellerstapel, Besteckkisten und Büroartikel, entwirren Knäuel und versuchen sich beim Sortieren der Stifte nicht zu verzählen.
Marie, Frauke und Vera haben im Sommer Abitur gemacht und gehören seit zwei Wochen als FSJlerinnen zum Kirchentagsteam. In den kommenden Monaten werden sie im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) das Protestantentreffen mit vorbereiten. Mit ihnen sind 13 weitere FSJler in der Lagerhalle im Einsatz, danach warten auf sie andere Aufgaben. Für die beiden Norddeutschen Anh und Verena beispielsweise geht es dann zurück in die Kirchentagsgeschäftstelle nach Wittenberg. Ihre Mitstreiterin Odile wird auf dem Europäischen Stationenweg quer durch den Kontinent reisen und für das 500. Reformationsjubiläum in Wittenberg werben.
Jetzt müssen sie aber erst mal die Anzahl an Schöpfkellen, Schneebesen und Suppenschüsseln an Michael Dahlke melden. Der Chefeinkäufer speist alle Ergebnisse in eine Datenbank ein und bekommt so den Überblick, was bis Mai noch besorgt werden muss. 41.800 Brottüten, steht da beispielsweise, oder 74.000 Servietten, 23.000 Prospekthüllen, 20.000 Opferlichter, circa 12.000 Kaffeelöffel. "Besteck zu zählen, ist immer schwer", weiß Dahlke. Deswegen werde es gewogen und eine Schätzzahl ermittelt.
Bei den "AdB-Kerzen" ist Dahlke dagegen schon sicher, dass etliche nachbestellt werden müssen. "AdB" steht im Kirchentagssprech für "Abend der Begegnung". "Da kommen immer so um die 300.000 Menschen", sagt Dahlke. "80.000 Kerzen reichen nicht. Da brauchen wir mindestens 200.000."