Nahles: Bundesteilhabegesetz ermöglicht mehr Selbstbestimmung

Nahles: Bundesteilhabegesetz ermöglicht mehr Selbstbestimmung
Die Debatte über das neue Bundesteilhabegesetz für behinderte Menschen wird weiter kontrovers geführt. Während Sozialministerin Nahles Chancen betont, fühlen sich Verbände mit ihrer Kritik nicht gehört.

Berlin (epd). Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) hat das geplante Bundesteilhabegesetz für behinderte Menschen als einen möglichen "Quantensprung" bezeichnet. Es gehe im Kern darum, weniger zu behindern und mehr zu ermöglichen, sagte Nahles am Donnerstag in der ersten Lesung des Bundesteilhabegesetzes im Bundestag. "Wir gehen den Schritt von der Fürsorge zur Teilhabe", betonte die Ministerin.

Mit dem Teilhabegesetz will Nahles die finanziellen Hilfen für behinderte Menschen neu regeln. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass behinderte Menschen mehr von ihrem Einkommen und ihren Ersparnissen behalten können. Auch bürokratische Hürden würden abgebaut.

Mehr Selbstbestimmung möglich

Arbeitgeber wolle sie motivieren, Behinderte einzustellen, sagte die SPD-Politikerin. Sie sollten den Schritt aus der Werkstatt wagen können, verbunden mit dem Recht, auch dorthin zurückzukehren, wenn dies nötig sei. Für ihr Reformvorhaben sollen zusätzlich 700 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden, sagte Nahles.

Unterstützung erhielt die Sozialministerin vom Koalitionspartner. Mit dem Gesetz werde mehr Selbstbestimmung ermöglicht, sagte der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU). Er räumte zugleich ein, dass der Staat nicht die Interessen und Wünsche aller zehn Millionen Schwerbehinderten im Detail berücksichtigen könne. Da komme der Staat an seine Grenzen, sagte er.

Die Opposition im Bundestag äußerste hingegen deutliche Kritik. Katrin Werner von der Linksfraktion wertete das geplante Gesetz als einen "Rückschritt". Die Hoffnungen auf ein selbstbestimmtes Leben würden sich damit nicht erfüllen.

Corinna Rüffer von den Grünen im Bundestag kritisierte, die Bundesregierung versuche, auf Kosten behinderter Menschen Geld zu sparen. "Künftig wird es sehr viel leichter sein, Menschen ins Heim abzuschieben, weil es billiger ist", sagte die Sprecherin für Behindertenpolitik.

Verbände warnen vor Gesetz

Widerstand kam auch von Verbänden. Der Deutsche Behindertenrat warnte davor, das Gesetz in seiner jetzigen Form zu verabschieden. Menschen mit Behinderung müsse im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention "die volle und wirksame Teilhabe" ermöglicht werden, sagte die Vorsitzende des Sprecherrats des Deutschen Behindertenrats, Ulrike Mascher.

Der Paritätische Gesamtverband erklärte, Kosteneinsparungen und die Verwertbarkeit von Arbeitsleistungen stünden im jetzigen Gesetz im Vordergrund, nicht aber die Selbstbestimmung. Geplante Verbesserungen zielten fast ausschließlich auf die Teilhabe am Erwerbsleben und kämen damit auch nur erwerbstätigen Menschen mit Behinderung zu Gute.

Die Caritas wertete das Bundesteilhabegesetz hingegen als einen wichtigen Schritt, um die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem in ein modernes Teilhaberecht zu überführen. Die Neuregelung könne jedoch Gruppen ausschließen, die heute Eingliederungshilfe erhalten. Das betreffe beispielsweise psychische Erkrankte, erklärte der Verband.