Mit Florian Bartholomäi und Natalia Belitski ist der Film treffend besetzt: Ihm glaubt man den verklemmten Einzelgänger sofort, und sie, sexy, aufregend und voller Energie, verkörpert den Gegenentwurf ausgezeichnet. Auch die Umstände, unter denen das Drehbuchschicksal die Figuren zueinander führt, sind stimmig: Das Unternehmen hat eine Formel für fettfreies Fett gefunden. Als sie geklaut wird, fällt der Verdacht umgehend auf Lea, die Simon wegen ihres unkonventionellen Benehmens schon einige Male negativ aufgefallen ist. Damit sein Chef und väterlicher Freund Schilinski (Reiner Schöne) nicht den Job verliert, willigt Simon ein, Lea zu beschatten, um zu verhindern, dass sie die Formel an die Konkurrenz übergibt. Im Verlauf einiger gemeinsamer turbulenter Erlebnisse kommen sich die beiden näher, als Simon je für möglich gehalten hätte. Dass Lea eine Spionin ist, glaubt er längst nicht mehr – und wird prompt dafür bestraft, dass er zum ersten Mal einem anderen Menschen vertraut. Aber das ist noch lange nicht das Ende der Geschichte.
Die Produktion ist im Rahmen eines Abkommens zwischen ProSiebenSat.1 und der Filmakademie Baden-Württemberg entstanden. 2014 hat die TV-Gruppe die entsprechenden Debüts noch beim Zwergsender Sixx versendet; Jan Haerings Erstlingswerk aber passt prima auf den Sendeplatz am Dienstag. Tatsächlich ist sein Diplomfilm deutlich flotter als manch’ andere Sat.1-Komödie; wenn nicht alles täuscht, ist er der erste Schritt einer vielversprechenden Karriere.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Der Film ist schnell, bunt und macht Spaß", charakterisiert der Regisseur sein Werk, und das ist ebenso zutreffend wie untertrieben. Haering hat seine Schauspieler prima geführt, auch die Nebenrollen interessant besetzt und kongeniale Mitstreiter gefunden. Vor allem Schnitt und Musik sorgen dafür, dass "Undercover küsst man nicht" ein eindrucksvolles Tempo vorlegt. Die akustische Ebene ist ohnehin ausgesprochen reizvoll, denn Andreas Pfeiffers Kompositionen, eine originelle Mischung aus Swing, Jazz und Funk, sind immer wieder mit Rock’n’Roll-Klassikern durchsetzt, die perfekt zur Stimmung passen. Zweites wichtiges Element ist die Bildgestaltung: Obwohl sich Haering über ein größeres Budget als die meisten anderen Debütregisseure freuen konnte, dürfte der Etat immer noch deutlich unter dem eines regulären "TV-Movies" gelegen haben; der Film dauert auch nur gut 80 Minuten. Trotzdem wirken die Bilder von Kameramann Lukas Steinbach, der zuvor mit "Der Himmel zwischen den Welten" eines der "Sixx-Debüts" gedreht hat, relativ aufwändig, auch wenn das ästhetische Konzept vergleichsweise schlicht ist: Simons seriöse, aber unpersönliche Welt ist ganz in grau gehalten und entsprechend langweilig, Leas Leben ist bunt und aufregend.
Basis aller guten Filme ist immer ein gutes Drehbuch; Haering hat es gemeinsam mit Julia C. Kaiser geschrieben. Die beiden erfreuen mit einer Vielzahl schöner Handlungsideen, die für die Geschichte nicht wichtig sind, aber dafür die Figuren charakterisieren: von Simons schikanösem Kleinkrieg gegen Lea gleich zu Beginn bis zu einer witzigen Einlage Belitskis, in der Lea eine Reihe unterschiedlichster abgeschleppter Autos abschreitet und deren Besitzer parodiert; Simons Wagen ("Stock im Arsch") ist auch dabei. Bei der Umsetzung dieser Szenen beweist Haering ein bemerkenswertes Talent für die richtigen Zeitpunkte: Er weiß genau, wann er das Tempo anziehen und wann er für Entspannung sorgen muss. Die Haltung, mit der er "Undercover küsst man nicht" konzipiert und inszeniert hat, zeigt sich auch in der eleganten Erzählweise. Dabei hat er womöglich aus der Not des überschaubaren Budgets eine Tugend gemacht: Einige Szenen, die anderswo mit viel Aufwand ins Zentrum gerückt worden wären, spielen sich bei ihm beinahe beiläufig im Hintergrund ab, was seine Arbeit erst recht souverän wirken lässt. Für die Hingabe aller Beteiligten steht nicht zuletzt der sympathisch animierte Vorspann; und mit den Irisblenden zu Beginn und zum Schluss macht Haering deutlich, in welcher Komödientradition er seinen Film inszeniert hat.