Essen (epd). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat dem Eindruck widersprochen, dass es im vergangenen Herbst angesichts des großen Andrangs von Flüchtlingen einen "Kontrollverlust" in Justiz und Verwaltung gegeben habe. Es habe vielmehr ein "Vollzugsdefizit" etwa bei der Bearbeitung der Asylanträge gegeben, sagte de Maizière am Freitag bei einer Diskussion zum Abschluss des 71. Deutschen Juristentages in Essen. Diese Spanne dürfe nicht zu groß sein, mahnte er. Zugleich warnte de Maizière aber vor einer "Hysterisierung von Begriffen". Deutschland habe die "epochale Herausforderung" der Flüchtlingskrise grundsätzlich gut bewältigt.
Zur Diskussion über eine Einführung von Obergrenzen bei Flüchtlingen äußerte de Maizière sich skeptisch. Die Benennung einer Obergrenze durch eine konkrete Zahl könne einen "Sogeffekt" auf potenzielle Flüchtlinge haben, warnte er. Zudem sei noch unklar, an welcher Landesgrenze über die Zuwanderung der Flüchtlinge entschieden werden solle.
Keine Obergrenze für Flüchtlinge im Völkerrecht
Sinn mache die Einführung einer Obergrenze dagegen bei Kontingentflüchtlingen - also der Festlegung einer Zahl von Menschen, die zum Beispiel aus Flüchtlingslagern in der Türkei oder afrikanischen Ländern aufgenommen werden, sagte der Innenminister. Man dürfe die Frage des Zuzugs der Flüchtlinge nach Europa nicht kriminellen Schleusern überlassen, sondern müsse als Staat beziehungsweise als EU selbst die Initiative ergreifen. Und hier sei eine "solidarische Verteilung der Flüchtlinge" in der EU wünschenswert, aber schwierig umzusetzen.
Mit Blick auf die anhaltende Diskussion in der CDU/CSU um die Festlegung von Obergrenzen bei Flüchtlingen verwies der Innenminister auf seine grundsätzliche parteipolitische Zurückhaltung in dieser Frage. Deutlich kritischer in der Bewertung wurde der Richter des Bundesverfassungsgerichts, Ulrich Maidowski. Die Diskussion um die Einführung von Obergrenzen sei "ziemlich überflüssig", erklärte er, sie folge dem Bedürfnis nach Parolen. Als Richter müsse er jedoch bei seinen Entscheidungen den internationalen Maßstäben für eine Schutzgewährung folgen. "Und die kennen keine Obergrenze."
Das Völkerrecht sehe keine Obergrenzen für Flüchtlinge vor, unterstrich auch die Vertreterin des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, Katharina Lumpp. Jeder Flüchtling habe einen grundsätzlichen Schutzanspruch, der geprüft werden müsse. In diesem Zusammenhang bemängelte sie die fehlende Solidarität zwischen den EU-Staaten bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Derzeit seien weltweit etwa 65 Millionen Menschen auf der Flucht, davon seien rund zwei Drittel Binnenflüchtlinge, hätten also keine Landesgrenze überschritten. Neun von zehn Flüchtlinge kämen gar nicht nach Europa, sondern blieben in Ländern mit mittleren und geringen Einkommen.