Pro und Kontra: TTIP

"Ich liebe TTIP" steht am 15.09.2016 in Berlin auf einem Sticker. Vertreter verschiedener Wirtschaftsverbände sprachen sich bei einer Aktion vor dem Brandenburger Tor für die Einführung des Freihandel-Ankommens TTIP aus
Foto: Paul Zinken/Julian Stratenschulte/dpa
"Ich liebe TTIP" steht am 15.09.2016 in Berlin auf einem Sticker. Vertreter verschiedener Wirtschaftsverbände sprachen sich bei einer Aktion vor dem Brandenburger Tor für die Einführung des Freihandel-Ankommens TTIP aus
Pro und Kontra: TTIP
Das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ist umstritten. Für Samstag rufen 30 Organisationen zu Demos dagegen auf. Befürworter und Kritiker berufen sich oft auf dieselben Punkte, beurteilen die Auswirkungen aber gegensätzlich.

PRO

Wirtschaft und Soziales: Die Befürworter argumentieren, dass der Pakt zwischen den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Welt die Konjunktur anschieben würde. Davon würden viele profitieren. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) etwa verweist darauf, dass der Abbau von Handelsschranken Jobs im Exportland Deutschland sichern hilft. Was Sozialstandards angeht, bringen Interessenverbände vor, dass hohe Standards ohnehin auf beiden Seiten des Atlantiks gelten.

Investorenschutz und Schiedsgerichte: Fest steht bereits, dass der umstrittene Investorenschutz reformiert wird. Anstelle der bisher geplanten und oft kritisierten Schiedsgerichte hat die EU-Kommission sogenannte Investitionsgerichte vorgeschlagen. Deren Richter würden öffentlich ernannt und es gäbe eine Berufungsinstanz. Für TTIP-Befürworter wie den CDU-Europaparlamentarier Daniel Caspary hat sich der Investorenschutz durch spezielle Gerichte bewährt: "Das Recht auf Eigentum ist in Artikel 17 der UN-Menschenrechtserklärung verankert. Dieses Menschenrecht international durchzusetzen ist ein zentraler Hintergrund von Schiedsgerichten. Da nationales Recht hier oft zu kurz greift, sind sorgsam ausformulierte Schiedsgerichte ein geeignetes Mittel, Eigentumsfragen im internationalen Kontext strukturiert zu klären."

Transparenz und Demokratie: Jedermann kann heute eine Vielzahl von Dokumenten zu TTIP im Internet lesen. Im Januar 2015 veröffentlichte die EU-Kommission zudem erstmals überhaupt in einem derartigen Prozess konkrete Textvorschläge aus den Verhandlungen. Öffentlich ist auch das europäische TTIP-Mandat, also der von den EU-Regierungen abgesteckte Rahmen. Und egal, was bei den Verhandlungen herauskommt: Am Ende kann das Europaparlament mit seinem Votum den Vertrag kippen.

Auswirkungen auf den Welthandel: Irgendjemand wird die Regeln des Welthandels bestimmen - wenn nicht die USA und Europa, dann zum Beispiel China und andere Mächte, sagen TTIP-Befürworter. Daher sollten die USA und Europa die Möglichkeit nutzen, mit TTIP sozusagen einen "Gold-Standard" zu setzen, wie es die US-Handelskammer ausgedrückt hat.

KONTRA

Wirtschaft und Soziales: "Unsere Erfahrung besagt, dass ein Mehr an Wettbewerb den Druck auf Löhne und Standards erhöht, beispielsweise bei Arbeitnehmerrechten, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz", sagt Tanja Buzek von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Auch die in TTIP vorgesehene Beteiligung von Interessenvertretern bei künftigen Regulierungen, die den Handel betreffen könnten, sieht Buzek skeptisch. In einem solchen Prozess würde sich das "Big Business" wegen seiner größeren Ressourcen am stärksten durchsetzen, befürchtet sie.

Investorenschutz und Schiedsgerichte: Selbst wenn das System der Schiedsgerichte reformiert wird: Generell bleibt es dabei, dass Unternehmen besondere Möglichkeiten zusätzlich zum normalen Rechtsweg haben. "Ausländische Investoren behalten ihre Extraklagerechte", kritisiert die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller.

Transparenz und Demokratie: Nicht alle Textvorschläge der EU sind veröffentlicht worden. Davon abgesehen gibt es noch die konsolidierten Vertragstexte, aus denen sowohl die Position der EU als auch die der USA hervorgehen. Sie sind nur für sehr beschränkte Personengruppen einsehbar, in Deutschland etwa für Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats. Und selbst diese dürfen die Texte nur in einem speziellen Leseraum des Bundeswirtschaftsministeriums einsehen. Da sie keine Kopien machen oder Mitarbeiter mitbringen dürfen, um die hochkomplexen Dokumente zu verstehen, ist letztlich auch die demokratische Kontrolle des Vertrags begrenzt.

Auswirkungen auf den Welthandel: Wenn zwei sich einigen, schadet es dem Dritten - das befürchtet der Bund der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen Staaten (AKP) infolge des TTIP-Vertrags. Die AKP-Staaten sind Entwicklungsländer und häufig frühere europäische Kolonien, daher unterhalten sie mit Europa besondere Beziehungen. TTIP könnte nun Handelsströme zu ihrem Schaden nach Norden umleiten, warnte AKP-Generalsekretär Patrick I. Gomes bereits im vergangenen Jahr.