Berlin (epd). Zu viel Bedrohung und Militär, zu wenig Prävention und Soldatenfürsorge: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat das Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik in vielen Punkten scharf kritisiert. Der Friedensbeauftragte Renke Brahms und EKD-Militärbischof Sigurd Rink beklagten am Donnerstag in Berlin, das Konzept zur Sicherheitspolitik konzentriere sich zu stark auf Militäreinsätze. Der Vorrang ziviler Lösungsstrategien für Konflikte fehle. Es sei sehr viel von Bedrohungsszenarien die Rede, "aber das Wort Frieden kommt relativ selten vor", sagte Brahms.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte das Weißbuch Anfang Juli in der letzten Parlamentswoche vor den Ferien vorgestellt. Brahms sagte, dass es erstmals zu diesem Grundsatzdokument einen Beteiligungsprozess gebe, sei zu begrüßen. Der Zeitpunkt der Vorstellung konterkariere diese erklärten Wunsch aber. Das Weißbuch sei regelrecht "ins Sommerloch gefallen", beklagte Brahms. Die EKD will die Debatte nun neu anstoßen.
Vorrang für Prävention gefordert
In der Grundausrichtung bestätigt das Weißbuch den Willen der Bundesregierung, international mehr Verantwortung bei der Lösung von Konflikten zu übernehmen. Die EKD fordert dabei aber einen Vorrang für Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung.
Die EKD-Vertreter zweifeln aber, dass die Bundesregierung dieses Ziel verfolgt. Brahms kritisierte in dem Zusammenhang den Bundeshaushalt 2017, der in dieser Woche im Bundestag diskutiert wurde. Während der Etat des Bundesverteidigungsministeriums für 2017 steige, sei kein Aufwuchs der Mittel für Krisenprävention geplant, sagte Brahms. Der Etat des Verteidigungsministeriums soll um 2,3 auf 36,6 Milliarden Euro steigen. Die Mittel für das Auswärtige Amt mit seiner Abteilung für zivile Konfliktbearbeitung sollen dagegen um 200 Millionen auf 4,6 Milliarden Euro sinken.
Militärbischof Rink, der Kopf der evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr, vermisst im Weißbuch die Zuwendung zum einzelnen Soldaten. Mit der viel geforderten Anerkennung ihres Handelns sei es in der Bevölkerung nicht so weit bestellt. Rink berichtete von Soldaten, die Anfeindungen aushalten müssten, etwa weil sie an der Rettungsmission für Flüchtlinge im Mittelmeer beteiligt sind. Stärkere Aufmerksamkeit verlangt er auch für Posttraumatische Belastungsstörungen, die Soldaten oftmals erst nach Jahren heimsuchen würden. Auslandseinsätze würden von ihnen teuer bezahlt, sagte Rink.
"Wenn schon Armee, dann die Bundeswehr"
Von der Leyens Neuausrichtung der Bundeswehr zu einem Arbeitgeber mit Karrierechancen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf begrüßte Rink zwar. Aus Gesprächen mit Soldaten erhalte er aber eher den Eindruck, dass es ihnen für die Zufriedenheit im Kern eher um die Sinnhaftigkeit ihres Tuns gehe. Er würde sich wünschen, dass dies auch im Weißbuch eine größere Rolle spiele, sagte er.
Ein Lob haben die Kirchenvertreter für das Weißbuch aber auch übrig. Sie begrüßten, dass weiter am Konzept der Inneren Führung festgehalten werde, nach dem die Gewissensentscheidung des Soldaten bei allem Gehorsam letzte Instanz ist. Das unterscheide die Bundeswehr von anderen Armeen. "Wenn man schon eine Armee braucht, dann eine wie die Bundeswehr", sagte Brahms.