Herr Möhring, im Film "Was im Leben zählt" spielen Sie einen evangelischen Pfarrer. Wie halten Sie persönlich es mit der Religion?
Wotan Wilke Möhring: Ich bin ohne Kirchenbesuche und Religion großgeworden, und ich glaube nicht an eine Kirche als solche. Aber ich betrete gerne Gotteshäuser, weil ich finde, Kirchen machen etwas mit einem. Und ich glaube, dass es Dinge gibt, die wir nicht mit unseren naturwissenschaftlichen Methoden erklären können. Aber den Vorstellungen der christlichen Kirchen folge ich nicht unbedingt.
Stehen Sie hinter der kirchenkritischen Haltung des Films? Als Pfarrer bekommen Sie in der Rolle wegen einer Beziehung mit einer verheirateten Frau ernste berufliche Schwierigkeiten.
Möhring: Der Film übt eigentlich keine Kritik an der Kirche, sondern an einzelnen Menschen, an Gemeindegliedern, die die Kirche falsch verstehen: Der Druck, den der Kirchenvorstand ausübt, steht generell für den Druck einer Gemeinschaft, die nach alten Wertevorstellungen und überkommenen Traditionen lebt, statt nach vorne zu schauen. Aber ich glaube, dass man sich nicht nur aus der Vergangenheit ernähren darf, sondern nach vorne schauen muss.
Der Film heißt "Was im Leben zählt". Was zählt denn für Sie im Leben?
Möhring: Positiv bleiben ist ganz wichtig, denn: Was wissen wir schon, wofür bestimmte Entscheidungen auch in unserer eigenen Biographie letztlich gut oder auch schlecht sind, wo die tieferen Gründe liegen? Man kann nichts anderes machen als mit ihnen umzugehen. Außerdem ist Lachen wichtig für mich, weil man vielen Situationen so besser begegnet als wenn man einer Sache von vornherein negativ gegenübersteht. Vor allem aber zählt in meinem Leben die Liebe, und damit meine ich lieben genauso wie geliebt werden.
Mangelt es unserer Gesellschaft an Liebe?
Möhring: Ich glaube nicht, dass unsere Gesellschaft liebloser geworden ist, ich kann das zumindest nicht aus dem schließen, was ich in meinem Umkreis erlebe. Wenn man die Tageszeitung aufschlägt, kommt es einem manchmal so vor. Aber das liegt natürlich daran, was den Medien wichtig erscheint zu berichten.
"Liebe ist das, was uns antreibt"
Aber hat das Materielle nicht sehr überhandgenommen?
Möhring: Klar, Materialismus ist unsere Lebenshaltung in der westlichen Welt geworden, aber es steht jedem frei, sich auch dagegen zu entscheiden. Und obwohl die Gesellschaft so materialistisch ist, lesen wir romantische Bücher und gehen in Liebesfilme. Liebe ist das, was uns antreibt, und die zu den eigenen Kindern ist mit Sicherheit die verbindlichste Liebe.
Und welchen Stellenwert hat praktizierte Nächstenliebe für Sie? Wie engagieren Sie sich?
Möhring: Wo ich spende oder was ich mache, behalte ich eigentlich ganz gerne für mich. Ich finde alltägliche Nächstenliebe ganz wichtig. Sich auf der Straße und in der Nachbarschaft entsprechend zu verhalten, das ist für mich Nächstenliebe. Wenn man ein Spendenkonto füllt, haben die betroffenen Menschen natürlich auch etwas davon, aber das ist nicht die Form von Nächstenliebe, bei der man etwas zurückkriegt. Das Lächeln, die Dankbarkeit und das Gefühl, etwas Gutes gemacht zu haben – das bekommt man, wenn man einer alten Dame den Einkauf hochträgt oder einfach da ist für Menschen, zuhört oder auch eingreift und aktiv wird, wenn einem etwas auffällt.
"Ich will ich selber bleiben und mich nicht zu sehr einschränken lassen"
Haben Sie als Schauspielstar eine Vorbildfunktion?
Möhring: Wenn man in der Öffentlichkeit steht, wird man natürlich genauer beobachtet, das muss man in manchen Momenten schon berücksichtigen. Aber das darf ja nicht dazu führen, dass man plötzlich jemand anders ist. Ich will ich selber bleiben und mich nicht zu sehr einschränken lassen. Und die Vorbildfunktion gegenüber meinen Kindern ist mir zum Beispiel deutlich wichtiger.
Viele Zuschauer kennen Sie als "Tatort"-Kommissar, und gerade der "Tatort" kommt ja manchmal wie eine Predigt über Gut und Böse daher. Finden Sie es gut, wenn ein Film eine klare moralische Botschaft transportiert?
Möhring: Ich bin kein großer Fan von erhobenem Zeigefinger. Aber gerade beim "Tatort" versuchen wir natürlich schon, soziale oder gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen, weil wir ja ein mal mehr, mal weniger fiktionalisiertes Abbild der Gesellschaft sind. Da kann es schon zu Denkanstößen oder Bewusstseinsanregungen kommen, das ist aber nicht zwingend notwendig.