Regierung distanziert sich nicht von Armenien-Resolution

Regierung distanziert sich nicht von Armenien-Resolution
Die Bundesregierung distanziert sich nicht von der Armenien-Resolution des Bundestags, versucht aber weiter, ihre Bedeutung für die deutsch-türkischen Beziehungen zu relativieren.

Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte dem Fernsehsender RTL am Freitag, sie wolle ausdrücklich dementieren, dass sich die Regierung von der Resolution distanziere, um das angespannte Verhältnis zur Türkei zu verbessern. Man habe aber in Gesprächen mit der Türkei darauf hingewiesen, dass die Resolution rechtlich nicht bindend sei. Auf die Frage, ob das ein Kniefall vor der Türkei sei, entgegnete Merkel laut RTL: "Nein, absolut nicht."

Haltung zur Resolution des Bundestags

Regierungssprecher Steffen Seibert wies einen Bericht des "Spiegel" als "irreführend" zurück, wonach die Regierung einer Forderung der Türkei nach einer solchen politischen Geste nachkomme: "Davon kann überhaupt keine Rede sein", sagte Seibert am Freitag in Berlin. Bei der Resolution handele es sich um einen Entschließungsantrag des Bundestags, in dem der Begriff "Völkermord" verwendet werde, ohne dass dieser rechtsverbindlich sei. Dies habe der Bundestag selbst erklärt und so sehe es auch die Bundesregierung.

Seiberts Erklärung stieß auf unterschiedliche Reaktionen. Während der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sie begrüßte, forderte seine Parteikollegin, die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, die Resolution des Bundestags nicht zu relativieren. Die Linkspartei wertete die Haltung der Regierung als Kotau vor dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht Erdogan gestärkt.

Neuer Botschafter in die Türkei

Der Bundestag hatte am 2. Juni die Vertreibung und Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren im osmanischen Reich als Völkermord eingestuft und war damit auf den erbitterten Protest der Türkei gestoßen. Ankara untersagte deutschen Abgeordneten den Besuch auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Osten der Türkei, wo Bundeswehr-Einheiten stationiert sind. Von dort fliegt die internationale Koalition Einsätze gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Zudem zog die türkische Regierung ihren Botschafter ab.

Dem Bericht des "Spiegel" zufolge hatten sich in den vergangenen Wochen Außenstaatssekretär Martin Ederer und der Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, in Ankara um eine Lösung des Streits bemüht. Ihnen sei dabei unmissverständlich mitgeteilt worden, dass die türkische Regierung eine öffentliche Distanzierung von der Völkermord-Resolution des Bundestags verlange, berichtete das Magazin. Seibert und der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, wollten sich dazu im Einzelnen nicht äußern.

Schäfer teilte aber mit, die Türkei werde bald einen neuen Botschafter nach Deutschland entsenden. "Ebenso freuen wir uns über eine Wiederbelebung des politischen Besuchsverkehrs zwischen Deutschland und der Türkei", sagte er. Die Bundesregierung hoffe und gehe davon aus, dass Bundestagsabgeordnete die deutschen Soldaten "in Kürze" besuchen dürften.

"Da sollte niemand wackeln"

Als einziges Regierungsmitglied stellte sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Freitag ausdrücklich hinter die Resolution des Bundestages. Sie sagte dem Sender n-tv, sie stehe "als Mitglied der Bundesregierung hinter dem Beschluss", der im Bundestag mit großer Mehrheit gefasst worden sei und fügte hinzu: "Da sollte niemand aus der Bundesregierung wackeln."

Die Grüne Göring-Eckardt sprach von einem "riesigen Chaos innerhalb der Bundesregierung". Die Resolution sei eindeutig: "Der Völkermord an den Armeniern muss auch so genannt werden." Sie erwarte von der Regierung, dies auch gegenüber Erdogan deutlich zu machen. Ihr Parteikollege und Bundesvorsitzende Özdemir begrüßte hingegen die Erklärung Seiberts. Der Beschluss des Bundestages könne nur durch ihn selbst außer Kraft gesetzt werden. Es sei gut, das die Regierung das auch so sehe.

Demgegenüber wertete Sevim Dagdelen von der Linksfraktion die Haltung der Bundesregierung als Kotau vor Erdogan. Dass die Regierung betone, die Resolution des Bundestages habe keine rechtlich bindende Wirkung, offenbare "die Missachtung gegenüber demokratischen Entscheidungen", sagte sie. Özdemir und Dagdelen gehören zu den türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten, die seit dem Beschluss persönlich bedroht werden.

Eine ähnliche Einschätzung kam von der Türkischen Gemeinde. Der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu sagte der "Heilbronner Stimme" und dem "Mannheimer Morgen" (Samstagsausgaben), in der türkischen Öffentlichkeit werde die aktuelle Debatte als Rückzug der Bundesregierung und Stärkung Erdogans bewertet. Laut "Heilbronner Stimme" will der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten den Soldaten in Incirlik schon an diesem Wochenende einen Besuch abstatten. Er rechne mit einer Erlaubnis der türkischen Behörden. Von Stetten hält sich derzeit in der Türkei auf.