TV-Tipp: "Nichts für Feiglinge" (ARD)

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TV-Tipp: "Nichts für Feiglinge" (ARD)
9.9., ARD, 20.15 Uhr: "Nichts für Feiglinge"
Die Tragikomödie war vor zwei Jahren das beste Beispiel für den Wandel des ARD-Freitagsfilm zu einem anspruchsvollen Sendeplatz, und das keineswegs bloß des Themas wegen. Der Film ist zwar ein Demenzdrama, doch anders als "Die Auslöschung" mit Klaus Maria Brandauer oder "Stiller Abschied" mit Christiane Hörbiger (beide ebenfalls ARD) erzählen Martin Rauhaus (Buch) und Michael Rowitz (Regie) die Geschichte des langsamen Verschwindens einer älteren Dame als Tragikomödie.

Hannelore Hoger als frühere Lehrerin Lisbeth, die auch im hohen Alter noch gern das letzte Wort hat, sowie Frederick als Enkel Philip und einziger Angehöriger, der mit der Verantwortung für seine Oma zunächst völlig überfordert ist und sie dann in seine WG aufnimmt, spielen ihre Rollen großartig. Unbedingt sehenswert ist der Film auch, weil Rauhaus und Rowitz sensibel, aber nicht unterwürfig mit dem Thema umgehen. Gerade die Großmutter sorgt für die komischen Momente. Trotzdem ist "Nichts für Feiglinge" (der Satz bezieht sich natürlich aufs Altwerden) weit davon entfernt, klamottige Züge anzunehmen, im Gegenteil; einige potenziell zotige Vorfälle inszeniert Rowitz mit besonderem Feingefühl. Als die WG-Mitglieder zum Beispiel peinlich berührt die Bescherung im Bad betrachten, weil Lisbeth die Wanne mit dem Klo verwechselt hat, ist das vor allem berührend. Andererseits schlägt gerade in solchen Szenen die Stimmung rasch wieder um, denn Sentimentalitäten wollten Rauhaus und Rowitz offenbar ebenfalls nicht aufkommen lassen.

Ähnlich gut besetzt wie die beiden Hauptfiguren sind auch die wichtigen Nebenrollen. Das gilt vor allem für Anna Brüggemann. Die erste Begegnung Philips mit seiner zukünftigen Freundin Doro ist ausgesprochen hübsch eingefädelt, zumal beide, Lau und Brüggemann, sehr überzeugend vermitteln, wie es zwischen den beiden funkt. Fortan wird die vernünftige Doro mehr und mehr Philips schlechtes Gewissen verkörpern, was prompt zur Folge hat, dass er sich irgendwann wieder von ihr trennt; wenn auch zum Glück nur vorübergehend. Wichtig für die Dramaturgie ist auch die Vorgeschichte von Oma und Enkel: Philips Eltern sind früh gestorben, er ist bei der Großmutter aufgewachsen, doch die ersten Szenen zeigen eine unübersehbare Entfremdung zwischen den beiden. Entsprechend leicht fällt es Philip, Lisbeth in einem Heim zu deponieren, als sie beinahe ihre Wohnung abfackelt und der Hausbesitzer den Mietvertrag kündigt. Als er jedoch mitbekommt, dass sie als vermeintliche Gewalttäterin gleich am ersten Abend ruhiggestellt und ans Bett fixiert wird, überlässt er ihr sein WG-Zimmer; auch wenn sich die Begeisterung seiner Mitbewohner (Tino Mewes, Burak Yigit) verständlicherweise zunächst in Grenzen hält.

"So schön ist die Welt" lautet Lisbeths letzter Satz. Dennoch sind Rauhaus und Rowitz weit davon entfernt, das Thema zu verharmlosen oder auf übliche Klischees zu reduzieren. Neben den Leistungen der Schauspieler sind es vor allem die Dialoge, denen der Film seine außerordentliche Qualität verdankt. Rauhaus ("Winterreise", "Ein starker Abgang") ist ohnehin ein Meister des gesprochenen Worts. Rowitz wiederum hat nach einigen Thrillern zuletzt in mehreren Komödien ("Rat mal, wer zur Hochzeit kommt", "Nach all den Jahren") sein gutes Gespür für das richtige Timing beweisen; gemeinsam waren die beiden für die sehenswerte Sat.1-Serie "Dr. Molly & Karl" verantwortlich. Wie sie hier dem ernsten Stoff zum Trotz Leichtigkeit und Lebensfreude vermitteln, macht "Nichts für Feiglinge" zu einem ganz besonderen Film.