SPD beklagt "Null Verständnis" für Einwanderungsgesellschaft bei der Union

SPD beklagt "Null Verständnis" für Einwanderungsgesellschaft bei der Union
Der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt (SPD), wirft der Union "null Verständnis für unsere Einwanderungsgesellschaft" vor. Die Forderung, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, bezeichnete er als "schwachsinnig".
19.08.2016
epd
epd-Gespräch: Nora Frerichmann

Berlin (epd). "Was Mehrstaatigkeit mit Terror und innerer Sicherheit zu tun hat, wissen wohl nur die Innenminister der Union", sagte Bozkurt dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Innenminister von CDU und CSU beraten über eine "Berliner Erklärung", die an diesem Freitag veröffentlicht werden sollte. Das Dokument ist eine Reaktion auf die Anschläge in Würzburg und Ansbach Mitte Juli. Forderungen wie ein Burka-Verbot oder die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft hatten für Streit gesorgt.

Zahlreiche Identitäten

"Es sind praktische Fragen des Lebens, die die Mehrstaatigkeit nötig machen", sagte der SPD-Politiker. Dabei gehe es beispielsweise um Erbschaften oder die Möglichkeit, den Eltern im Herkunftsland helfen zu können. "Die Lebensrealität vieler Millionen Menschen in Deutschland sind viel komplexer als die Union mit der Diskussion suggeriert."

Bozkurt wirft den Unions-Politikern zudem vor, mit der Forderung nach der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft nur die Menschen mit türkisch-deutschem Pass im Blick zu haben, "obwohl das Thema viele Millionen Deutsche betrifft".

Nach den Ergebnissen des Zensus von 2011 haben 690.000 Menschen eine deutsch-polnische und 570.000 eine russisch-deutsche Staatsangehörigkeit. Erst dann folgen mit 530.000 die deutsch-türkischen Bürger. Insgesamt haben nach den Zensus-Ergebnissen 4,3 Millionen Deutsche eine weitere Staatsbürgerschaft.

Sachliche Einschätzung gefordert

Deutschland sei schon immer ein Land der Migration gewesen: Im 19. Jahrhundert gab es die Ruhr-Polen, die russische Diaspora nach dem ersten Weltkrieg, die Gastarbeiter, die Geflüchteten der 80er und 90er oder die vielen Familiennachzüge. "Menschen tragen zahlreiche Identitäten mit sich und die Möglichkeit der Mehrstaatigkeit trägt dieser Realität Rechnung", sagte Bozkurt. Eine Abschaffung würde Hunderttausende Deutsche "entwurzeln".

Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit seien wichtiger als Populismus: "Wenn wir keine einfache Lösung für ein Problem, wie den Terror ausgeführt von Einzelpersonen haben, dann muss man das auch nicht vorgaukeln", forderte Bozkurt. "Eine sachliche Einschätzung der Möglichkeiten würde deutlich mehr Ruhe in unsere Gesellschaft bringen, anstatt unnötig weitere Keile den Zusammenhalt zu treiben."