"Ärzte ohne Grenzen": Mediziner in Aleppo unter Lebensgefahr

"Ärzte ohne Grenzen": Mediziner in Aleppo unter Lebensgefahr
Im belagerten Ostteil der syrischen Stadt Aleppo arbeiten Ärzte nach Angaben von Hilfsorganisationen unter extremen Gefahren und Schwierigkeiten.
16.08.2016
epd
epd-Gespräch: Elvira Treffinger

Berlin (epd). "Die Situation in der Stadt ist katastrophal", sagte der Vorstandsvorsitzende von "Ärzte ohne Grenzen" in Deutschland, Volker Westerbarkey, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Man ist nirgendwo sicher", fügte der Arzt in Berlin hinzu. In den vergangenen fünf Monaten seien alle acht Kliniken und Gesundheitsstationen in Ost-Aleppo beschädigt oder zerstört worden, mit denen die Organisation in Kontakt stehe. "Alle Kriegsparteien tragen die Verantwortung für das, was in Aleppo geschieht", betonte Westerbarkey.

Zu Hinweisen auf einen Chlorgas-Einsatz, über den in der vergangenen Woche berichtet wurde, sagte er: "In zwei Krankenhäuser sind insgesamt etwa 80 Patienten mit den typischen Symptomen gekommen: Atemprobleme, Husten und tränende Augen." Die Mediziner vor Ort hätten auch über nach Chlor riechende Kleider der Patienten berichtet. Die Verletzten seien vor allem Kinder gewesen, die besonders empfindlich sind. Chemische Waffen sind international geächtet. "Es ist nicht zu glauben, dass so etwas wie der Einsatz von Chlorgas geschieht. Das muss untersucht werden", sagte Westerbarkey.

Kaum noch Verbandsmaterial und Medikamente

Die Bedingungen in den Kliniken Aleppos schildert der Vorsitzende von "Ärzte ohne Grenzen" als unvorstellbar: "In die Krankenhäuser kommen immer mehr Verwundete und Verletzte." Dabei kämen die Menschen nur im äußersten Notfall, weil auch Kliniken ständig angegriffen würden. "Es sind syrische Ärzte und syrisches Pflegepersonal, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens die Patienten versorgen", erklärte Westerbarkey.

"Es gibt kaum noch Verbandsmaterial und Medikamente. Selbst Blinddarmoperationen und Kaiserschnitte sind kaum noch zu bewältigen", sagte er. Der letzte Transport von "Ärzte ohne Grenzen" sei im April in den von oppositionellen Gruppen kontrollierten Ostteil Aleppos gekommen. Jetzt kämen nur vereinzelt kleine Mengen Material hinein: "Das ist nichts Verlässliches."

Der Vorsitzende von "Ärzte ohne Grenzen" drängt auf einen Zugang für humanitäre Helfer und Transporte zu den etwa 300.000 in Ost-Aleppo eingeschlossenen Menschen. Dass die von der syrisch-russischen Allianz angekündigten Feuerpausen und humanitären Korridore wirklich umgesetzt wurden, konnte Westerbarkey anhand der Berichte der Mediziner vor Ort nicht bestätigen.

Freie Wege aus der Stadt gefordert

Der Vorsitzende verlangt auch freie Wege aus der Stadt hinaus: "Es muss auch möglich sein, Schwerverletzte aus Aleppo zu bringen. Aber wer bleiben will, soll das Rechte haben, zu bleiben. Wohin sollen die Menschen flüchten?"

"Ärzte ohne Grenzen" kann in Syrien nur in Gebieten arbeiten, die unter Kontrolle der Opposition stehen. "Das syrische Regime erlaubt uns nicht, in Regierungsgebieten tätig zu sein", sagte Westerbarkey. Aus den Gebieten unter Kontrolle der Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich die Organisation zurückgezogen, nachdem 2014 Mitarbeiter entführt worden waren.