Berlin (epd). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant offenbar eine Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht, um Terrorakte zu verhindern. Ein Maßnahmenkatalog seines Ministeriums sehe eine Gesetzesänderung vor, die es Ärzten ermöglichen soll, Behörden über geplante Straftaten ihrer Patienten zu informieren, meldete die "Bild"-Zeitung am Mittwoch. De Maizière will seine Vorschläge unter dem Titel "Erhöhung der Sicherheit in Deutschland" am Donnerstag in Berlin präsentieren. Ärztevertreter äußerten sich bereits am Mittwoch kritisch.
Der Innenminister wolle um die Zustimmung von Ärzten und des Gesundheitsministeriums werben und so "die dringend nötige Rechtsklarheit schaffen", berichtete "Bild" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Der Schritt solle das Dilemma der Ärzte auflösen, das durch ihre standesrechtliche Verpflichtung zur Wahrung des Patientengeheimnisses und ihre gesetzlichen Pflicht zur Anzeige einer geplanten Straftat bestehe.
Kritik daran kam von der Bundesärztekammer. Präsident Ulrich Montgomery sagte: "Die angespannte innenpolitische Sicherheitslage darf nicht zu vorschnellen politischen und rechtlichen Maßnahmen verleiten." Das Patientengeheimnis diene dem Schutz der Privatsphäre der Patienten. Nur eine weitgehend uneingeschränkte Schweigepflicht schaffe "das unerlässlich Vertrauensverhältnis" zwischen Ärzten und ihren Patienten.
SPD unterstützt Ärzteschaft
Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Maximilian Broglie. Er erklärte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die jetzt schon bestehenden Möglichkeiten der Offenbarung reichen zur Terror-Prävention völlig aus, so dass es keiner Gesetzesänderung bedarf."
Unterstützung erhielt die Ärzteschaft vor allem aus der SPD. Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe), mit einer Aufweichung der Schweigepflicht werde nicht mehr Sicherheit erreicht. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte dem epd, es sei in Deutschland schon heute unmissverständlich geregelt, dass ein Arzt bei Anschlagsbedrohungen oder bei bevorstehenden Straftaten von der Schweigepflicht entbunden sei. Er mache sich sogar strafbar, wenn er die Ermittlungsbehörden nicht informiere. "Die Rechtslage ist sehr klar", sagte Lauterbach.
Psychisch kranke Menschen dürften zudem nicht stigmatisiert werden. Eine weitere Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht könnte sie außerdem davon abhalten, überhaupt zum Arzt zu gehen, sagte der SPD-Politiker.
Dem schloss sich der CDU-Bundestagsabgeordnete und Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, an. Er sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Donnerstagsausgabe), dass unter den Flüchtlingen in Deutschland viele mit posttraumatischen Störungen seien. "Wollen wir diesen Menschen Angst machen, dass Ärzte oder Psychologen sie bei der Polizei melden? Was ist damit gewonnen? Das ist die denkbar schlechteste Lösung", sagte Henke.